Thursday, March 15, 2012

In den Katakomben

Die Fliegerei macht mich also nicht jünger. Der Illusion beraubt, droht sich Schwermut breitzumachen. Dabei hatte ich schon die tollsten Pläne ausgeheckt, was ich in meiner geschenkten Tausendstelsekunde alles anstellen könnte.
Nun gut – dafür bot mir heute jemand ein übergrosses Trostpflaster! Und nachdem ich vor Monatsfrist in Florida den Mondgänger verpasst hatte, musste ich diesmal keine Sekunde überlegen...

Auf der Rotation nach Los Angeles begleitet mich ein befreundeter Journalist. Er will über zwei Schweizer berichten, die sich in Kalifornien niedergelassen haben, um ihren Traum zu verwirklichen.
Doch wer hart arbeitet, braucht Erholung. Bei der nicht immer sehr freundlichen Dame der Autovermietung fassen wir am Morgen die Schlüssel eines blauen Ford Mustangs aus. In flotter Fahrt gehts Richtung Huntington Beach, wo wir im legendären Ruby’s ein fettig mastiges Eier-Schinken- Zimttoast-Ahornsirup-Butter-Frühstück geniessen. Dazu gibts wässrigen Kaffee und gezuckerten Orangensaft. Das Fett trieft uns aus den Mundwinkeln aber es schmeckt vorzüglich. Die Servierdamen lächeln im Look der Sechzigerjahre, aus den Lautsprechern stimulieren gedämpfte Swing-Balladen.

Anschliessend lassen wir uns treiben Richtung Süden. Mit unbestimmtem Ziel. Obwohl die Sonne scheint, liegen die Temperaturen unter 20 Grad. Für die Jahreszeit eher kühl. Nach einer Rast in einem der vielen Hafencafés zwischen Long Beach und San Diego wenden wir unseren schnittigen Kreuzer und nehmen über die Interstates 5 und 57 Kurs Richtung Honda Center.

Das Heimstadion der Anaheim Mighty Ducks ist umgeben von einer riesigen Parkfläche und hochstämmigen Palmen. Nicht unbedingt eine Kulisse, die glauben lässt, man stünde vor einem Eishockeystadion. Bei den Enten spielen zwei Schweizer eine wichtige Rolle: Der Torhüter Jonas Hiller und der junge Verteidiger Luca Sbisa. Mein Freund, der Journalist, bittet Hiller um Pässe, die uns Zugang zu den unterirdischen Katakomben der Arena gewähren. Für mich ein absoluter Traum. Einmal im Leben vor der Garderobe einer NHL-Mannschaft zu warten und die Spieler zu beobachten, wie sie sich, frisch geduscht mit feucht-glänzenden Haaren durch einen Spalier von Reportern und Fans schlängeln. Sauber gewandet in Anzug und Krawatte, mit Ausnahme von Jonas Hiller, der als Einziger im Sportdress erscheint und seine Gäste (wir sind nicht die Einzigen) persönlich mit Handschlag begrüsst. Allerdings verzieht er sich nach kurzem Plaudern und einigen Autogrammen wieder in der Kabine. Er braucht offenbar mehr Zeit als seine Teamkollegen, um die Aufregung des Spiels abzulegen.

Neben den beiden Schweizern rauschen Legenden wie Saku Koivu (der vor dem Anpfiff für sein 1000 NHL-Spiel geehrt wurde) und Teemu Selänne an uns vorbei. Irgendwo gibt Jari Kurri ein Interview. Er, der einst in Abu Dhabi ein Trainingscamp für Junioren leitete. Zu jener Zeit, als ich die Abu Dhabi Falcons präsidierte. Doch heute stehen wir in den Katakomben der Mighty Ducks von Anaheim. Eine kurze Begrüssung, ein flüchtiges Lächeln, dann rauscht der einstige Sturmpartner Gretzkys zum nächsten Termin.
Dazwischen Spielerfrauen; milde lächelnd, ausnahmslos schlank, hübsch und adrett gekleidet. Irgendwann beruhigt sich die Szene. Die Stars verziehen sich und auch wir räumen das Feld. Der Mustang steht einsam und verloren auf der riesigen Parkfläche. Langsam rollen wir am immer noch hell erleuchteten Stadion vorbei.

Ach ja, Eishockey gespielt haben die mächtigen Enten von Anaheim an diesem Abend natürlich auch. Sogar gewonnen. Vier zu Null gegen die Roten Flügel von Detroit. Ein Shutout also für Hiller, der zum zweitbesten Spieler seines Teams gewählt wurde. Vielleicht haben wir ihm Glück gebracht. Könnte ja sein...
Ich befürchte allerdings, dass skypointer das anders sieht. Und damit meine Träumereien endgültig platzen lässt...












Saku Koivu













Jonas Hiller













Luca Sbisa













Karte zum Glück

11 comments:

  1. Mmmmmmhhhh, es bitzeli Ifersüchtig bin ich schon!

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  2. Und ich auch! Aber ich bin froh, dass Du die Gelegnheit diesmal beim Schopf gepackt hast und enthalte mich jeglicher klugscheisserischer Kommentare...

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  3. @nff: Wer von uns hat denn nun TZV...?

    @skypointer: Wenn einer KLUGscheisserische Kommentare schreiben darf, die ihrem Namen gerecht werden, dann bist das du!

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  4. Testet Dr. Sodhi nicht mehr Dein Cholesterin?

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  5. ...wieso bloss habe ich den Eindruck, dass die kommentierenden Herren das Sticheln in diesem Fall nicht bleiben lassen können...?

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  6. Wow, grossartig danke (ohne Stichelei!).

    Aaaaber, ein Mustang? Camaro....baby :-)

    G!

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  7. Also nun schaffe ich es doch noch... wollte schon lange auf die Lesung in Winti antworten, aber im Land des Lächelns wird locker auch die WiFi-Verbindung "weggelächelt". Ja, auch ich gehöre zu den unbekannten Gesichter die Wüstenspuren seit Beginn und nun das Expat-Dasein im Exil interessiert mitverfolgt. Auch für mich war die Begegnung spannend, die Person (inkl. Family) hinter dem Blog zu treffen. Es hat Spass gemacht. Der Expat im Exil wie auch das TWR Mädel und nff (JoBo nicht zu vergessen) haben schlicht "suchtpotenzial" und gehören zur Standart-Lektüre, auch unterwegs. Vorausgesetzt S.E. Asia ist online. Ich freue mich auf viele weitere interessante, spannende und amüsante Berichte und Episoden.
    Herzliche Grüsse, Bettina

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  8. @Giuliano: Ich glaube, Dr. Sodhi hat im Moment andere Probleme als mein Cholesterin... (You probably know much better)

    @TWR Mädel: Neid, purer Neid!

    @G!: Die Alternative zum blauen Mustang wäre ein roter Mini gewesen. Wie hättest du dich entschieden...?

    @Bettina: Vielen Dank für deine Ermunterungen! Dein Besuch in Winti hat mich sehr gefreut! BsB (Bloggen schlägt Brücken)
    Hoffen wir, dass Southeast Asia und Japan weiter am Netz bleiben!

    Gruss

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  9. Also mir gefällt dieser himmelblaue Mustang sehr gut; auf unseren Strassen eine Rarität.

    Ich nehme einmal an, Piloten, erst recht Flugkapitäne, sind durchweg überdurchschnittlich gute Autofahrer. Das Training, die Umsicht und die Verantwortung bringen es wohl mit sich. Gehe ich recht in der Annahme?

    Umgekehrt dürften überdurchschnittlich gute Autofahrer auch exzellente Piloten abgeben; siehe Niki Lauda...
    Crowi

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  10. @Crowi: Es besteht Grund zur Annahme, dass die Mehrzahl der Piloten besser autofährt. Immerhin durchlaufen sie am Anfang ihrer Laufbahn eine Selektion, bei der ua Koordination, Übersicht sowie die spezififsche Begabung zur Steuerung eines Flugzeugs getestet werden. Was aber nicht heisst, dass unter den "Nicht-Piloten" nicht auch hervorragende Fahrer zu finden wären. Ausserdem kenne ich persönlich Piloten, bei denen es im Auto immer etwas harzig läuft.

    Auch der umgekehrte Fall entbehrt nicht einer gewissen Logik: Um ein erfolgreicher Rennfahrer zu werden, bedarf es mitunter Eigenschaften wie oben beschrieben. Daraus lässt sich durchaus eine gewisse "Verwandschaft" dieser Tätigkeiten (=Steuerung eines mobilen Gerätes) ableiten. Falsch wäre hingegen die Annahme, dass Piloten immer schnell fahren (rasen) oder dass Rennfahrer mit ihren Boliden in die dritte Dimension vorstossen.

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  11. ...also ich hätte wenn schon das Cabi genommen - what else?!?

    Und mich freuts, dass du diese Chance hattest, von Neid keine Spur ;-)

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