Tuesday, March 13, 2012

Piloten und die ewige Jugend

Wer hat nicht schon neidvoll den kreisenden Mäusebussard am Himmel verfolgt oder den von wildem Flügelschlag begleiteten Start eines Wasservogels bewundert? Was diesen Tieren scheinbar mühelos gelingt, ist uns irdischen Schwerenötern nur dank Erfindergeist und sich ständig weiterentwickelnder Technik möglich.
Ob unserer Faszination für die vordergründigen Schönheiten der Fliegerei gehen oftmals die Details vergessen: Das Zusammenspiel vieler Menschen aus unterschiedlichen Bereichen beispielsweise oder die Gesetze der Natur, die es bei jedem Flug zu überlisten gilt. Wer fliegt, beobachtet Himmel und Erde aus einer anderen Optik als der Fussgänger. Die Fortbewegung in der Luft ist mittlerweile selbstverständlich geworden. So selbstverständlich, dass wir kaum noch Fragen stellen. Oder haben Sie sich beim Blick aus dem Flugzeugfenster schon je einmal gewundert, weshalb die Wolken nicht vom Himmel fallen? Das wäre doch nicht weiter ungewöhnlich, schliesslich ist Wasser schwerer als Luft, und wenn man ein Glas ausschüttet, schwebt der Inhalt auch nicht einfach durch die Gegend.

Ein Buch liefert in diesem Fall die Antwort und erklärt uns die Welt, wie wir sie durch das Flugzeugfenster wahrnehmen. Verfasst vom englischen Naturwissenschaftler Brian Clegg. 

Wer viel und oft fliegt  - Piloten und Flight Attendants etwa - will über mögliche Folgen der Strahlenbelastung informiert sein. Bei einem Flug über den Atlantik (ich selber überquere das Grosse Wasser durchschnittlich vier Mal pro Monat) sind wir so viel Strahlung ausgesetzt, wie bei einer Röntgenaufnahme des Brustkorbs, was dem 100-Fachen der üblichen Dosis am Boden entspricht. Die Belastung ist kumulativ, Vielflieger sollten also ein Interesse haben, die Grundbelastung möglichst tief zu halten.
Bloss wie? Gibt es überhaupt Wege und Mittel dazu? Clegg liefert zumindest ansatzweise Tipps: Den Verzicht auf den Verzehr von Muscheln beispielsweise, die Material mit natürlicher Radioaktivität aus dem Wasser filtern. Wer Muscheln isst, kann der persönlichen Strahlenbelastung bis zu rund 0.5 mSV pro Jahr hinzufügen. Da bleib ich doch lieber beim gut schweizerischen Servelat.

Höchst interessant klingt die Folgerung, dass Piloten langsamer altern, auch wenn Clegg die Erkenntnis nicht in dieser Ausschliesslichkeit definiert.
Albert Einsteins spezielle Relativitätstheorie besagt, dass Uhren, die sich mit hoher Geschwindigkeit bewegen, langsamer gehen als andere, was beispielsweise heisst, dass Uhren in GPS-Satelliten im Verhältnis zu denen auf der Erde pro Tag sieben Millionstel Sekunden verlieren. Da dieses Phänomen grundsätzlich alle Reisen, unabhängig der Geschwindigkeit betrifft, sind wir nach dem Flug ein kleines bisschen jünger, als wenn wir zuhause geblieben wären. Allerdings müssten wir uns, um einen sichtbaren Effekt zu erzielen, mit weitaus höherer Geschwindigkeit als der eines Flugzeuges bewegen. Bei einem Verkehrsflieger wären wir nach 40 Jahren mit wöchentlichen Atlantiküberquerungen eine Tausendstelsekunde jünger. Ich habe bereits 31 Dienstjahre auf dem Buckel, diese Verjüngungskur liegt also – private Reisen eingerechnet – durchaus im Bereich des Möglichen...

Und zum Schluss vielleicht noch ein Hinweis fürTeeliebhaber. Normalerweise wird ihr Lieblingsgetränk mit kochendem Wasser gebrüht, was bedeutet, dass die Flüssigkeit auf 100° aufgeheizt werden muss. Das ist im Flugzeug jedoch nicht möglich. Schuld daran ist, dass der in der Kabine herrschende Luftdruck die meisten Wassermoleküle am Entweichen hindert. Auf einer Höhe von 2400 Metern kocht Wasser bei 90° C – heisser wird es nicht, unabhängig von der zugeführten Hitze. Da ist mir doch der (N)Espresso lieber, und es dürfte verständlich sein, dass ich mich gestern ziemlich darüber ärgerte, ohne eine einzige funktionierende Nespressomaschine nach Los Angeles zu fliegen.  

Wie auch immer: „Warum Tee im Flugzeug nicht schmeckt und Wolken nicht vom Himmel fallen“ erklärt Phänomene der Fliegerei mit einem Augenzwinkern, ohne die dabei notwendige Glaubwürdigkeit vermissen zu lassen. Und ich bin sicher, dass für jeden oder jede LeserIn interessante Erkenntnisse geliefert werden.

Ich jedenfalls geniesse es, langsamer zu altern...

8 comments:

  1. Langsamer altern = länger arbeiten, oder...?

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  2. Ich kenne Brian Clegg nicht, abe ein Teeliebhaber scheint er, trotz Englischem Namen, nicht zu sein. Tee sollte nämlich nie mit kochendem Wasser aufgegossen werden! Schwarztee verträgt die Hitze noch am Besten und sollte mit 90 - 95°C heissem Wasser zubereitet werden. Also optimal im Flugzeug. Für Grüntee mit seiner optimalen Zubereitungstemperatur von 80°C muss das Wasser selbst im Flugzeug noch etwas abgekühlt werden...

    Auch bei der speziellen Relativitätstheorie scheint Herr Clegg nicht ganz sattelfest zu sein, oder zumindest ist ihm ein Kommafehler unterlaufen. Bei 20'000 Flugstunden mit 600kts komme ich auf 3,6 Hunderttausendstelsekunden... Und das, wohlgemerkt, nur von aussen betrachtet. Du selbst hast also gar nichts davon.

    Sorry, dass ich Dein Leben wieder verkürzt habe. Ich empfehle Dir als Ausgleich einen Tee. Das ist gesund und damit Lebensverlängernd... ;-)

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  3. Nachtrag:

    http://skypointer.wordpress.com/2012/03/14/jungbrunnen

    ;-)

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  4. … ohne Nespresso über den Atlantik? Ich sorge dafür, dass Dir solch Ungemach nicht mehr passiert. Denke daran…

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  5. @TWR Mädel: siehe skypointer

    @skypointer: Eine wirklich eindrückliche Beweisführung. Q.e.d.
    Da muss der gute Clegg wohl nochmals über die Bücher. Und ich kann die gewonnene Tausendstelsekunde vergessen. Dabei habe ich in den beiden vergangenen Tagen soviele Pläne geschmiedet, wie ich den "Extrabonus" sinnvoll nutzen könnte...

    @nff; Eine Zumutung ist das! Eine verdammte...

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  6. ...und ich hatte gemeint, hier eine Erklärung zu haben für dieses Getränk, das zu identifizieren mir schwer fiel:

    Schwarztee hatte ich bestellt, über den Wolken, bei einer Billig-Airline (die's inzwischen nicht mehr gibt), und für 2 Euro wurde mir ein relativ grosser Pappbecher mit besagter, seltsam schmeckender Flüssigkeit verabreicht.
    Crowi

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  7. Der Luftdruck im Flugzeug und die Molekuele? Scheint mir irgendwie -relativ- verkehrt zu sein.
    Bei uns funktioniert immerhin die Nespressomaschine (wie Du weisst). Allerdings nur zwei Kapseln fuer 28 Pax und 15h Flugzeit.
    Dafuer altere ich (sehr wenig) weniger.

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  8. merkwürdig, ich finde meinen Kommentar nicht wieder

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