Sunday, August 21, 2011

Der erste Monat

Am 20. Juli dieses Jahres wars, als ich mich – nach fünfjährigem Fremdgehen im Sand – zum ersten Mal wieder in ein Swiss-Cockpit setzte. Der damalige Flug führte nach New York; in acht statt in dreizehn oder vierzehn Stunden, wie seinerzeit von Abu Dhabi aus.

Seit jenem Start in Zürich ist bereits ein Monat verstrichen oder treffender: verflogen.

Wieder verfange ich mich zwischen Hudson und East River. Nachdem sich gestern Abend, wir schickten uns gerade an, das Hotel zu verlassen, ein Gewaltsgewitter über der Stadt entladen hat, locken heute früh Sonnenschein und blauer Himmel vor allem Touristen auf die Gassen. Dennoch wirken die Strassen ums Empire State Building an diesem Samstagmorgen vergleichsweise ausgestorben, und für einmal gibts den Kaffee bei Starbucks ohne lange anzustehen.

In den vergangenen rund 30 Tagen bin ich viermal nach JFK und je einmal nach Tel Aviv, Delhi, Nairobi und Dar es Salaam gejettet. Immer mit dem A330. Nächste Woche gehts zur Abwechslung nach Montreal, dann stehen bereits wieder drei Einheiten im Simulator an; In den ersten Tagen des Septembers ist der A340-Check geplant. Also noch einmal in die Bücher. Bei 30 Grad und herrlichem Sommerwetter nicht unbedingt verlockend. Als Alternative bietet sich Lernen in der Badi an. Der Kopf bleibt immer noch kühler als in einer Wohnung ohne Klimaanlage...

Mein fliegerischer Einstieg bei der Swiss hat mir weniger Bauchschmerzen verursacht als angenommen. Und ich muss zugeben, das Umfeld macht grossen Spass! Die Arbeit am Sidestick bleibt grundsätzlich dieselbe: Wenn man daran zieht, werden die Häuser kleiner, beim Stossen nehmen sie entsprechend an Grösse zu. Dabei spielt es keine Rolle, ob auf der Heckflosse ein Adler oder ein Schweizerkreuz prangt.

Es sind vor allem die Arbeitsabläufe im Cockpit der Schweizer Airline, die ich als wesentlich angenehmer empfinde! Die Kollegen zur Rechten haben eine vergleichbare Ausbildung in derselben Organisation durchlaufen und sprechen - mas on menos - dieselbe Sprache. Kein unnötiges „Gschnurr“ und abgespeckte Checklisten. Zielgerichtet, effizient, prägnant. Wenn ich nur schon an unsere Briefings bei Etihad denke...

Hier hingegen bleibt Zeit für andere Dinge. Beispielsweise für die Kommunikation mit den Schnittstellen oder für die Begrüssung der Passagiere. Selbstverständlich ohne, dass dabei die Safety angekratzt würde.

Abgesehen davon empfinde ich es als äusserst angenehm, Diskussionen in der Muttersprache führen zu können. So, wie einem eben der sprichwörtliche Schnabel gewachsen ist.

Besonders angetan bin ich übrigens auch von der Grosszügigkeit der FCG‘s. Das Dreibuchstabenkürzel steht für jene Flugbegleiter, die über die Erfahrung und Qualifikation verfügen, in der Küche der First Class arbeiten zu dürfen – im First Class Galley eben. Schon früher wurde die Dummheit jener Kollegen hart bestraft, die sich mit ihnen anlegten. Denn dieses auserlesene Grüppchen bestimmt über die Vergabe von lukullischen Köstlichkeiten; zartesten Balik-Lachs, gefülltes Huhn, pochierten Fisch oder erlesenste Sprüngli-Pralinen. Diese Damen und Herren regieren ein Reich, das bei mehrstündigen Flugreisen zum Zentrum der Verlustigung verkommt. Ihre Macht wächst mit der Länge eines Fluges. Und das Schöne an der Macht ist ja bekanntlich die Willkür...

Swiss-Bordküchen scheinen mir weitaus grosszügiger beladen als bei der Etihad. Zumindest in der First Class. Mussten wir nach dem Start in Abu Dhabi jeweils einige Stunden bis zur Fütterung ausharren, so gewähren uns die meisten Swiss-FCG ‘s bereits am Boden einen ersten Blick in die Speisekarte. Das Gewünschte wird angekreuzt und landet gewöhnlich kurz nach Erreichen der Reiseflughöhe auf unserem Klapptisch. Solch Grosszügigkeit macht die persönliche Gewichtskontrolle nicht unbedingt einfacher.

Dafür wird beim neuen Firmen-Logo abgespeckt; statt Tyler Brulé’s Würfeln eine bescheidene Heckflosse mit grossbuchstabigem Schriftzug. Mir gefällts. Und vor allem bin ich mir jetzt sicher, dass ich für eine Fluggesellschaft und nicht eine Versicherung oder eine Bank arbeite.

3 comments:

  1. Hallo Dieter,

    das liest sich doch so, all das es für Euch die richtige Entscheidung gewesen ist, wieder in die Heimat zurückzukehren.
    Ich war vor der Situation, als Arzt in den VAE zu arbeiten, hab mich aber doch dagegen entschieden (und ich bin Araber). Nach dreimaligem Bereisen muss ich für mich feststellen, dass ich in diesem latent bis offen rassistischem Land einfach nicht leben möchte: Die Reihenfolge: Einheimische/Weiße-Araber aus anderen Ländern-Inder/Pakistanis-Schwarze war jedesmal offensichtlich. Wer mal dort war, wird nicht mehr über die Ausländerfeindlichkeit in D/CH klagen.
    Gruß...Ahmed

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  2. @Ahmed: Ob es wirklich die richtige Entcheidung war, ist zu diesem Zeitpunkt schwierig zu beurteilen. Tatsache ist zumindest, dass wir uns am neuen Ort wohl fühlen, einmal abgesehen von den ärgerlichen Verzögerungen beim Umzug.

    Was für mich den grossen Unterschied zwischen der Schweiz und den UAE im Bezug auf die Ausländerfrage ausmacht, ist die konsequente Umsetzung der Strategie. Wir können es nennen, wie wir wollen: Rassismus, Ausländerpolitik oder Ausländerfeindlichkeit. Immerhin sind die Vorgaben klar und jeder Expat weiss um die Limiten seiner Möglichkeiten und Freiheiten in diesem Land. Kein Wischiwaschi. Was hingegen schmerzt ist v.a die teilweise üble Ausnutzung der einfachen Arbeiter, zumeist Inder und Pakistani. Hier wären menschenwürdigere Gesetze sicher angebracht.

    Gruss
    Dieter

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