Thursday, May 10, 2012

Aufbruch

Was für ein grosses Wort!

Dabei gibt es kaum etwas Banaleres. Immer wieder brechen wir auf. Jeden Monat, jede Woche, jeden Tag. Der Aufbruch als Ende des Verweilens. Als Ende der Rast, die uns – vielleicht für wenige Minuten nur – verschnaufen lässt. Und wenn es auch nur ein Rückzug auf‘s stille Örtchen ist. Am Ende steht der Aufbruch. Oder am Anfang. Wie man es sieht. Zurück an den Schreibtisch. Zurück in den Rhythmus des Alltags.

Meine Ferien sind zu Ende. Auch dies ein Aufbruch. Auf dem Einsatzplan steht: LX086 – Montreal.
Ausgerechnet am Tag, an dem die Schweizer Eishockeyaner gegen Kanada spielen. Der Copi ist auch ein Eishockeyverrückter. Vor lauter Diskutieren über die vortägliche Partie gegen Finnland verpassen wir beinahe die Planung unseres Fluges.
Dumm gelaufen. Wenn der Brunner die Scheibe reingehauen hätte...

Hätte, wäre, würde...

Zurück zu unserem Flug. Schliesslich schreibe ich vorrangig über die Fliegerei. Ein Fliegerblog. Doch ist dem wirklich so? Die Überschrift Ein Expat im Exil lässt andere Schlüsse zu. Was für ein Blog ist es denn nun? Fliegen, Ausland, Eishockey...? Ein bisschen von allem. Bunt gemischt. 
Ich freue mich auf die Lesung am Freitagabend im Berner Oberland. In der hintersten Ecke des Diemtigtals. Doch ich hadere mit der Auswahl der Texte. Arabische Geschichten oder Ferienimpressionen aus der Oberländer Bergwelt? Aber ich schweife ab. Wie so oft. Breche auf in andere Richtungen. Aufbruch eben. Wie gehabt.

Wir planen, berechnen den Sprit, passieren die Sicherheitskontrolle und lassen uns vom Crewbus zum Flieger fahren. Nach zwei Wochen Cockpit-Abstinenz riecht alles ein bisschen mehr nach Arbeit. Meine Mailbox wurde überschwemmt mit neuen Infos, Bulletins, Weisungen. Ich benötige etwas mehr Zeit als üblich.

Unmittelbar vor dem Zünden der Triebwerke, bieten uns die Kollegen vom skyguide die Piste 32 für den Start. Wir müssen das Startgewicht neu berechnen, den Navigationscomputer mit der neuen Abflugroute füttern. Aufbruch.
Der Wechsel erhöht den Druck, da sich die Piste 32 nahe bei unserem Standplatz befindet. Die Kabinenbesatzung wird informiert. Die Ansagen laufen. Schon rollen wir los. Beinahe im Schritttempo. Der Copi und ich besprechen kurz die wichtigsten Änderungen für die Abflugverfahren. Der Tower fragt: „Swiss 86, are you ready for departure?“

Sind wir noch nicht.

„We need one more minute!“

Dann beschleunigen wir Richtung Norden. Die Räder lösen sich vom Boden. Airborne. Aufbruch.

Rund sechs Stunden später. Auf 40‘000 Fuss über Kanada. Wir nähern uns der Stadt Sept-Iles in der Provinz Québec. Das Spiel Schweiz-Kanada läuft erst seit einer Viertelstunde. Wie sind die Eisgenossen wohl gestartet?

Wir sind neugierig und so erkundige ich mich bei den Kollegen von Moncton Center, mit denen wir seit wenigen Minuten im Funkkontakt stehen.

„Moncton, are you by any chance watching the hockey game between Switzerland and Canada?”
Kurzes Schweigen. Dann antwortet eine Frauenstimme:

„No, but hold on I can find out for you…”
Bereits nach wenigen Minuten meldet sie sich wieder.

„Swiss 86, it’s one nothing for Switzerland halfway through the first period…”

Autsch – das kanadische TWR Mädel wird sich wohl in die Zunge gebissen haben bei der Vermeldung dieses Resultats. Wir jubeln im Cockpit – ob’s heute reicht?

Tut es leider nicht. Eine weitere Niederlage. Schade. Aber auf Niederlagen folgt immer ein Aufbruch. Und die WM ist noch lange nicht zu Ende. Wir lassen den Kopf nicht hängen.

Aufbruch eben. Wie gehabt!

9 comments:

  1. ...Lotsen sitzen vor Radarschirmen und nicht vor TV screens, tsts... aber die Lotsenzunft macht ja bekanntlich (fast) alles um die Fliegerschaft bei Laune zu halten...

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    1. Einverstanden. Völlig einverstanden. Für einmal....

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  2. TV screens, wer sagt denn noch so etwas?

    Wünsche Dide für die heutige Lesung alles Gute!

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    1. Danke nff - ist gut gelaufen. Der Abend hat sich dann, bei Weiss-, Rotwein und Bier noch etwas in die Länge gezogen.

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  3. Hallo Dide,
    Ich verfolge seit einiger Zeit deinen Blog und finde es Super dass du die Fliegerei ein wenig von der menschlichen Seite aus betrachtest. Da ich momentan nicht allzu weit entfernt vom Diemtigtal wohne wäre ich gerne zu deiner Lesung gekommen, allerdings geht es bald in den Urlaub... Fliegst du zufällig nächsten Donnerstag LX64 nach MIA? Ich wäre mit dabei...

    Herzliche Grüsse und viel Erfolg heute Abend,

    Kai

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    1. Hallo Kai, ich fliege dich nach MIA, wenn du an meine Lesung im Diemtigtal kommst...

      Im Ernst, nächste Woche bin ich unterwegs nach Delhi. Für einmal in die andere Richtung. Trotzdem viel Spass in Florida!

      Gruss

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  4. Hello Sir!
    bin etwas off-topic unterwegs heute; hatte die Gelegenheit, zwei Viertel-Final-Eishockey Spiele der Weltmeisterschaft in Schweden live im Fernsehen mitzuverfolgen. Erst Russland gegen Norwegen, dann die Schweden gegen die Tschechen.
    Eishockey, hyperschnell - ein geniales Spiel.

    Zwei Kommentatoren haben die Spiele begleitet, von der Tribüne aus live erläuternd, wahre Experten. Ich sass vor dem Fernseher. Das Spiel auf Schlittschuhen läuft so geschwind, lauter Sachen aus blitzschnellen Abläufen wurden kommentiert, die ich oft nicht gesehen, oder besser gesagt übersehen hatte. Zeitlupenhaft.

    Woran liegt es, diese zeitweilige Überforderung meinerseits?
    Hat man von der Tribüne aus, als Zuschauer, den besseren
    Überblick als der Fernsehgucker vor dem TV Bildschirm? Oder braucht es eine Eishockey Trainerlizenz, um auf der Höhe einer Live Übetragung zu sein?

    Jedenfalls: Beste Pully-Gewinne wünscht
    Crowi

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  5. Aus der NZZ, nach dem 6:2 für die Russen gegen die Slowaken im Finale der Eishockey WM:

    "Nach der Schlusssirene tauschte der (slowakische) Captain sein Dress gegen eines mit der Rückennummer und dem Namenszug von Pavol Demitra. Der Slowake ist einer jener Spieler, die im vergangenen September beim Flugzeugabsturz des KHL-Teams Lokomotive Jaroslawl sein Leben verloren hat.
    Es war eine Geste, die zeigt, wie relativ Niederlagen sind."

    Schöne Geste des Captains.
    Crowi

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    1. Ich hab die Szene selber am TV gesehen und war ebenfalls beeindruckt und gerührt. Schön, dass es dies im heutigen Spitzensport noch gibt!

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