Monday, June 27, 2011

Der neue Schweizer Pass

Als würd ich mit frisch geschliffenem Messer durch weiche Butter schneiden. Ein Kinderspiel. Ich bin mir solches nicht mehr gewohnt. Gebeutelt vom Zeitlupentempo emiratischer Ämter, habe ich mich bei der Erneuerung meines Passes auf ein länger dauerndes, mehrstufiges und energiezehrendes Verfahren eingestellt. Die Realität indes sah ganz anders aus.

Noch während unserer letzten Tage in Abu Dhabi habe ich mich zur Startseite der Ausweisschriften für Schweizer Staatsangehörige durchgegoogelt. Dann online flugs das Antragsformular ausgefüllt und wenige Tage später – nach einer Emailbestätigung der Antragsstelle – auf dem Passbüro einen Termin zwecks Erfassung meiner biometrischen Daten gebucht. Natürlich ebenfalls bequem und einfach am Computer. Bis zu jener Stufe konnte ich sämtliche Schritte vom Bürostuhl aus erledigen. Ohne Wartezeiten und ohne Stress.

In der Schweiz angekommen, machte ich mich am Tage X von den engen Tälern des Berner Oberlandes auf in die grösste aller Schweizer Oasen. Das Auto blieb in der Tiefgarage. Denn in der Schweiz fährt die Eisenbahn. Und sie fährt nicht nur zuverlässig sondern auch pünktlich! Anders als die Anschlussflüge von Frankfurt nach Zürich.
Die Tageskarte erster Klasse riss zwar – trotz Halbtax – eine 108 Franken grosse Lücke in mein Portemonnaie, doch Sauberkeit und Bequemlichkeit der Reisewagen liessen mich den brachialen Preis schon nach den ersten dreisprachigen Ansagen (Guten Morgen, bonjour, good morning) vergessen. Meine Frau brauchte da ein bisschen länger. Nun gut, sie war auch nicht persönlich zugegen, und meine Beschreibungen der modernen SBB-Wagons hinterliessen offenbar nicht dieselbe Wirkung wie der Realversuch.

In Zürich angekommen, nutzte ich weiter die Vorzüge des öffentlichen Verkehrs, in diesem Fall des Trams; auch dies eine Institution, die es in den Emiraten nicht gibt. Nach wenigen Haltestellen befand ich mich in Fussdistanz zum Passbüro. In der geräumigen Schalterhalle fiel mein Auge sogleich auf jenen ominösen Automaten, der diese nummerierten Tickets ausspuckt, dank derer ein geordneter und drängelfreier Betrieb erst möglich wird. Ich kenne das von Abu Dhabi. Diese Kästen stehen dort überall, seit kurzer Zeit sogar in den Postämtern. Und immer kündet dieselbe baritone Stimme, in der Regel erst nach längerer Wartezeit, die nächste Nummer an: „Tazkara rakam chamsa wa arbain, shudbek tissa!“ Was in diesem Fall heissen würde: „Ticket Nummer 45 zum Schalter 9.“

Im Passbüro wurde meine Nummer nicht ausgerufen, sondern an einem Bildschirm an der Wand angezeigt. Und ich musste auch überhaupt nicht warten, sondern durfte mich sogleich an einem der vielen Schalter melden. Die unverhüllte Dame (also Kleider trug sie schon...) war überaus freundlich und effizient, und wies mich präzise und kundig durch das Verfahren zur Erfassung meiner Daten. Es dauerte keine zehn Minuten und meine Person war fotografisch und fingerabdrucktechnisch erfasst. Anschliessend gings zur Kasse, denn auch in diesem Land arbeiten die Ämter bekanntlich nicht gratis. Nun gut, ich kanns verstehn.

Immerhin – nach rekordverdächtigen fünf Tagen lag der druckfrische Pass in meinem Briefkasten. In Abu Dhabi hätte ich allein so lange gebraucht um herauszufinden, wo ich mich für die Erneuerung anmelden müsste.



















Am Freitag sind meine Ferien vorbei. Dann beginnt der Ernst des (Swiss)Lebens. Hoffentlich läufts dann auch so flott...

Sunday, June 26, 2011

Berglandschaft statt Palmenhain

Die Sonne scheint! Und es zwitschern fröhlich die Vögel. Auch die Katze schnurrt wieder wie zu alten Tagen.

Franziska und ich machen uns auf zu einem Morgenspaziergang (war nicht meine Idee...). Die Luft ist herrlich, uns summen Bienen und andere Kleinstflieger um die Ohren. Kuhglocken bimmeln. Die Nase kitzelt. Ob sich mein beinahe vergessener Heuschnupfen zurückmeldet?

Friedliches Diemtigtal statt Corniche, knorrige Tannen statt Palmen...















































































Saturday, June 25, 2011

Vom Sand ins Gras










Gestern wurde im Berner Familienzirkel ausgiebig Franziskas runder Geburtstag zelebriert. Der erste Versuch war ja seinerzeit, aufgrund der nach wie vor mysteriösen Annullierung unseres Anschlussfluges, ins Wasser gefallen.
Diesmal blieb es nicht bloss beim Herumhantieren mit vollen Champagnerflaschen. Der einen oder anderen (Champagnerflasche) ging es brutal an den Kragen, und als sie (die Champagnerflaschen) alle leer getrunken waren, vergriff sich die durstige Schar hemmungslos an des Schwiegervaters kühl gestelltem Rosé.

Zwischen allerlei guten Geburtstagswünschen wurden launige Willkommensbotschaften zum Besten gegeben. Als besonders fantasiereich erwies sich dabei Franziskas Neffe Sven, seines Zeichens auszubildender Polygraph. Die von ihm gestaltete Grusskarte wusste nicht nur grafisch zu überzeugen: Vom braunen, trockenen Sand zurück ins grüne, feuchte Gras oder von der Wüste in die Heide. Vielmehr brachte der junge Kreativkünstler die Sache auch textlich auf den Punkt:

„...Die Tage grauer, die Strassen schmäler,
höher die Berge und tiefer die Täler.
Die Flüsse grün, die Seen blau,
und zwischendurch da regnet es mal,
Herrscher sieben, nicht verwandt,
die Demokratie erfolgreich angewandt...“

Nicht verwandt - und mit den Sheikas Doris, Simonetta, Micheline und Eveline erst noch vier Frauen im Master-Beduinenzelt am Bundesplatz.

Nebenbei: die Originaldichtung wurde ursprünglich in astreinem Bärndüüütsch verfasst und vorgetragen. Aus Gründen der Verständlichkeit habe ich mich für dieses Posting eigenmächtig zu einer hochdeutschen Edelfassung durchgerungen.

Sven möge es mir verzeihen!

Friday, June 24, 2011

Expat-Gedanken

Das Wort Exil leitet sich vom lateinischen exilium (in der Fremde weilend, verbannt) ab und bezeichnet die Abwesenheit eines Menschen oder einer Volksgruppe von der eigenen Heimat. Meist hervorgerufen durch Ausweisung, Verbannung, Vertreibung, Ausbürgerung, Zwangsumsiedlung, religiöse oder politische Verfolgung durch den Staat sowie unerträgliche Verhältnisse im Heimatland.

Wer recherchiert – im jüngeren Sprachgebrauch „googelt“ – stösst mitunter auf den Begriff„Exilliteratur“, manchmal auch als „Emigrantenliteratur“ bezeichnet. Werke, die meist wegen politischer Verfolgung, im Exil entstanden sind und Erinnerungen an üble politische Machenschaften wecken.

Nun werdet ihr euch wohl fragen, was dies alles mit mir zu tun hat? Weder wurde ich verbannt, noch vertrieben und – trotz Bloggeraktivität – schon gar nicht politisch verfolgt. Ich bin kein Literat, lediglich bloggender Pilot. Am ehesten könnte unsere Abreise vielleicht noch mit einer freundlichen Ausweisung verglichen werden: Denn für die Annullierung des Residence-Visa wurde mein Pass von der Firma eingezogen und mir erst wieder am Flughafen, beim Check-In für den Heimflug ausgehändigt. Wie bereits geschrieben, geschah dies mit erheblicher Verzögerung und kostete mich eine gehörige Portion Nerven (die ich doch eigentlich für meine Wiedereingliederung in der Schweiz mindestens ebenso nötig hätte). Dabei verfolgte mich der Etihad-Vertreter bis zum Passieren der Passkontrolle wie ein Schatten auf Schritt und Tritt. Aus Angst wohl, dass wir uns durch ein unbewachtes Hintertürchen in die emiratische Freiheit zurückmogeln würden.

Diese Absicht hatten wir natürlich nicht. Schliesslich ist der Entscheid zur Rückkehr in die Schweiz aus freien Stücken gefallen. Es gibt ja auch den Ausdruck „freiwilliges Exil“; historisch vielfach verbunden mit der Hoffnung auf ein besseres Leben oder der Suche nach einer neuen Identität. Da kommen wir der Sache schon ein Stückchen näher. Auch wenn ich in eben dieser Stunde sinniere, in welchen Bereichen sich mein Leben verbessern wird, so ist der Neuanfang zweifellos mit Hoffnungen und Erwartungen, aber auch mit Zweifeln verbunden. Keine Zweifel an mia Patria, lediglich an meiner Anpassungsfähigkeit.

Nach fünf Jahren im Ausland kann ich die Expat-Schale nicht einfach abschütteln. Der Kontakt mit Menschen vielfältiger Nationen, die – wie wir auch – Gäste in einem fremden Land waren, hat Spuren hinterlassen. Insofern bleibe ich vorläufig ein Expat, der allerdings sein angestammtes Territorium verlässt und in die Heimat, die in diesem Fall zum Exil wird, zurückkehrt: Ein Expat im Exil eben.

Kompliziert? Mag sein – aber so fühle ich mich nun mal in diesen regnerischen Tagen im Diemtigtal.

Wednesday, June 22, 2011

Angekommen - oder nicht?

Fünf Jahre waren wir im Ausland. 60 Monate in den Vereinten Arabischen Emiraten. Seit zwei Tagen hat uns die Schweiz wieder. Oder müsste ich schreiben: ...haben wir die Schweiz wieder...?

Die ersten Verrichtungen sind getan; ich habe mir endlich wieder eine CH-Mobile Nummer zugelegt, mein JAR-Medical erneuert und, zusammen mit Nina, unsere Wüstenkatze Bart am Flughafen Genf abgeholt. Der Katze gehts gut, also freuen sich die Menschen. Das ist bei uns nicht anders.

Auch dem Passbüro in Zürich habe ich einen Besuch abgestattet. Nicht etwa, weil ich sämtliche Spuren unseres Abu Dhabi-Aufenthalts vernichten will, sondern ganz einfach, weil mein USA Crew-Visum abgelaufen ist und sich bei dieser Gelegenheit eine Erneuerung meines, in die Jahre gekommenen, Passes als zweckmässig erweist.

Tja – es geht weiter: Same, same – but different. Es wird zweifellos Tage, Wochen – vielleicht auch Monate dauern bis wir unseren Umzug in die Schweiz mit sämtlichen Sinnen und Fasern erfassen. Im Moment scheint mir, als schwebe ich zwischen den Welten. Noch immer flattern in zügiger Kadenz SMS oder Emails aus den Emiraten in diverse Posteingänge und vermischen sich mit euphorischen Willkommensbotschaften helvetischer Freunde.

Der Einstieg beim neuen Arbeitgeber ist auf den 1. Juli geplant. Noch habe ich Ferien, die mir mein - bis Ende dieses Monats - rechtmässiger Arbeitgeber zugesprochen hat. Auch hier wandle ich vorerst zwischen Orient und Okzident.

Expat im Exil soll zuerst über unsere Rückkehr in die Schweiz berichten, dann aber nach wie vor Alltägliches aus der ergiebigen Welt der Fliegerei resumieren. Mit der Seele eines Auswanderers, der sich während seiner Expat-Jahre nicht nur an den Rhythmus, sondern auch an die Vorzüge - die es zweifellos gibt - des Mittleren Ostens gewöhnt hat. Mit den Augen eines Rückkehrers, der mit Wohlwollen, möglicherweise auch mit einer Spur Wehmut an die Zeit in Abu Dhabi zurückdenkt. Denn Piloten sind, und das passt in diesem Fall ausgezeichnet, von Berufes wegen ewige Rückkehrer...

In diesem Sinne; Herzlich willkommen!