Da sitz ich wieder einmal zur dümmsten Zeit in New York. Nämlich dann, wenn sich im fernen Melbourne unser Roger mit Rafa um den Einzug ins Finale des Australian Open duelliert. Und die Amis tun so, als ginge sie das alles gar nichts an. Nun gut, weder findet das Turnier auf amerikanischem Boden statt, noch hat sich ein US-Amerikaner unter die letzten Vier gespielt. Dafür zeigen sie Tiger Woods, wie er wiederholt den kleinen weissen Ball unter der Sonne Abu Dhabis (ausgerechnet) an diversen Löchern vorbeiputtet . Ich will Tennis schauen und habe von Golf nicht die geringste Ahnung. Auch Basketball, das heute Morgen bei den Fernsehmachern hoch im Kurs steht, ist nicht mein Ding. Ist zwar immer wieder eindrücklich, wie die langen Jungs springen und die Bälle dunken, trotzdem wäre mir jetzt Federers Rückhand lieber.
Wieder drücke ich auf den Knopf der Fernbedienung und lande nach diversen Wetterfeen und Staumeldungen bei den Real Desperate Housewives of Beverly Hills, Atlanta oder New York. Wäre amüsant, etwas länger zu verweilen. Die reifen Damen sind attraktiv, gut betucht und immer für ein Skandälchen gut. Spiegelbild einer Gesellschaftsgruppe, wie sie künstlicher nicht sein könnte. Gleich auf dem nächsten Kanal wird um die Wette gekocht. Dabei stehen nicht Laien, sondern Profiköche an den Herdplatten. Passt perfekt ins Schema von „Irgendwer sucht irgendeinen Superstar“. Eine knallharte Abnützungsschlacht vor laufenden Kameras. Saucen- und tränenreich, am Schluss lacht nur einer (oder eine). Doch solange harre ich nicht aus. Mein Magen knurrt, in der Schweiz sitzen die Menschen bereits am Mittagsstisch. Im Tagi online lese ich, dass Federer in Sätzen zurückliegt. Kunststück, wenn ich ihn nicht unterstützen kann!
Mittlerweile lacht mir Christy Brinkley entgegen. Jene Christy Brinkley, die vor 30 Jahren im legendären Hitvideo Uptown Girl auf schwarzen High Heels zur Musik ihres damaligen Gatten Billy Joel zwischen tanzenden Mechanikern herumtrippelte. Jetzt wirbt sie, immer noch gertenschlank, für einen Hometrainer. Ganz besonders wirkungsvoll soll er sein. Und praktisch dazu. Doch wo um Himmels willen bleibt Roger? Ob er seine Vorhand heute auch so wirkungsvoll hämmert? Den Amis scheints egal.
Noch gebe ich nicht auf, zappe weiter durch Morgennews, Werbung und mehr Basketball. Breaking News. Menschen fahren sich über den Haufen oder bringen ihren Nachbarn um. Dazwischen ein Bericht vom WEF im verschneiten Davos. Idyllische Bilder aus dem Land des besten Tennisspielers aller Zeiten, der zufälligerweise gerade im Halbfinal des Australian Open steht. Was haben eigentlich Sportler und Politiker gemein, ausser dass sie überdurchschnittlich verdienen? Es sind Helden auf Zeit. Irgendwann verlöscht ihr Stern. Mubarak und Ospel waren einst schillernde Figuren im Landwassertal. Dieses Jahr sind sie nicht dabei, nicht nur, weil. Und ich laufe in Gefahr, einen weiteren Triumpf Federers zu verpassen. Dann hat er auch schon verloren. Aus der Traum, eine weitere Chance verpasst.
So ein Ärger – und die Amerikaner habens nicht einmal gemerkt. Selber schuld.