Friday, December 30, 2011

Soll ich, oder soll ich nicht...

...mich einmischen in die angeregte Diskussion um die individuellen Wahrnehmung einzelner Berufsgruppen? Soll ich, oder soll ich nicht meinen Senf dazugeben wenn es darum geht, über vermeintliche Privilegien und Benachteiligungen von Pflegepersonal, Lehrern, Piloten oder Handwerkern zu argumentieren?

Worum geht es denn letztlich? Vielleicht, Stefan deutet es in seinem Kommentar an, liegt der Kern der Sache an kontinuierlich schlechter werdenden Rahmenbedingungen, unter denen unsere Wirtschaft leidet. Der Wind bläst eisig und lässt unsere Nasenspitzen gefrieren. Im Grunde genommen geht es uns allen ähnlich: Pflegepersonal, Lehrer, Handwerker, Piloten – die Rahmenbedingungen haben sich über die Jahre kontinuierlich verschlechtert. Zur Gewohnheit gewordene Pfründe sind dem Spardiktat einer globalisierten, schwer einschätzbaren Wirtschaft zum Opfer gefallen. Und die Aussichten sind nicht unbedingt rosig. Wir alle sind abhängig von anderen. Niemand, kein CEO, keine Organisation kann sich über die Verbindlichkeiten unserer Zeit hinwegsetzen. Zumindest nicht auf alle Ewigkeiten.
Gewisse Dinge werden sich nie ändern: So wird es immer Gewinner und Verlierer geben. Ebenso wie Neider und Gönner, oder Befürworter und Kritiker. Und wir alle müss(t)en uns ständig fragen, zu welcher dieser Gruppen wir denn nun gehören (wollen)?

Der Einblick in andere Berufswelten erweist sich meist als trügerisch und falsch. Ganz einfach, weil uns – als Aussenstehende – der direkte Zugang fehlt. Wir sind auf Drittmeinungen und Berichterstattungen angewiesen, können dabei nur schwerlich die Echtheit solcher Informationen beurteilen. Wenn jemand der Ansicht ist, der Autopilot würde all meine Probleme lösen, so soll er oder sie weiter so denken. Den Gegenbeweis anzutreten ist schwierig. Dieser Blog mag Teil des Versuchs sein, ich mache mir aber keine Illusionen. nff’s Link mit der detaillierten Schilderung der letzten Minuten von AF447 reisst einen Vorhang auf. Vermittelt Einblick in ein Cockpit, in dem vieles falsch gelaufen ist. Mit katastrophalem Ausgang, wie wir wissen.

Keine Kritik, vielmehr der Versuch, daraus zu lernen. Transparenz zu schaffen. Die Prioritäten zu justieren.

Soll ich also, oder soll ich nicht... mich in die Diskussion einschalten? Die Frage erübrigt sich. Ich stecke bereits mittendrin. 

Und sie wird, daran zweifle ich keine Sekunde, auch im kommenden Jahr weitergehen. Ich hoffe nur, dass der Versuch zu verstehen stärker ist, als die Versuchung zu kritisieren.

Friday, December 9, 2011

Heute, hier und jetzt

Während sich meine wackeren Kollegen in Europa durch schüttlige Herbststürme und tanzende Schneeflocken kämpfen, geniesse ich meine Auszeit auf dem Campus der UBC. Das Gelände ist weitläufig, muss es auch sein, denn 30'000 Studierende benötigen viel Platz.
Es ist bei weitem nicht so, dass ich jede freie Minute mit der Tochter verbringe. Wir sehen uns zwar täglich, dennoch bleibt mir viel Zeit für Gedankenspiele und Mussestunden.

Zwischendurch setze ich mich in einen Bus, lasse mich treiben und streife durch verschiedene Winkel der Stadt. Heute beispielsweise bummle ich durch den ältesten Stadtteil von Vancouver: durch Gastown. Ehrwürdige Backsteinbauten prägen das Quartier, in dem auch eines der berühmtesten Wahrzeichen steht: die Dampfuhr. Pubs wechseln sich ab mit Coffeeshops und Souvenirläden. Zwar ist der Himmel wolkenlos, doch in die Gassen von Gastown dringt kaum ein Sonnenstrahl.

Als „Expat im Exil“ fühle ich mich im Ausland immer ein bisschen wie ein Hecht, der dem Fischer vom Haken zurück ins Wasser gesprungen ist. Der längere Aufenthalt hier verstärkt dieses Gefühl. Die Spuren der letzten fünf Jahre, sie lassen sich nicht einfach abschütteln.
Ohne Abu Dhabi wäre Linda mit Sicherheit nicht in Vancouver gelandet. In diesem Fall würde ich wohl kaum meine Ferien hier verbringen. Manchmal, so scheint mir, liegt die Zeit im Wüstensand schon so weit zurück. Die Dinge ändern eben. Oft schneller als wir wünschen. In Phasen des Wechsels und der Veränderung suchen wir Halt im Beständigen. Ob es Zufall ist, dass ich just in dieser Woche auf folgende Zeilen gestossen bin, die mir nicht mehr aus dem Sinn wollen:

Ein Aufbruch ins Ungewisse ist immer gefährlich. Aber viel gefährlicher als jeder Aufbruch, ist die Rückkehr. Und die ist umso gefährlicher, je länger du fort warst. Was glaubst du zu finden? Das, was einmal da war? Vergiss es. Du wirst nur finden, was du verloren hast. Das, was irgendwann einmal dein Leben war.“

Unser Aufbruch nach Abu Dhabi barg gewisse Risiken. Die Rückkehr in die Schweiz jedoch erschien uns immer als Kinderspiel. Zurück in die Heimat, zurück in die vertraute Umgebung, in den Schoss der eigenen Kultur. Heute, mit der Erfahrung der vergangenen Monate, scheiden sich die Geister an folgender Frage: „Was glaubst du zu finden...?“  Wir glaubten, dass wir wüssten, doch die Erwartung stellt uns ab und zu ein Bein.

Ich ertappe mich beim Wunsch, den Moment einzufrieren. Das, was man verloren hat, muss nicht unbedingt besser sein als das, was ist. Doch manchmal schwingt eine Angst mit, dass einem das Hier und Jetzt entgleitet. Wir gehen mit überdimensionierten Rückspiegeln durchs Leben. Auch wenn wir Vergangenes idealisieren, holen wir, was geschehen ist, nicht in die Gegenwart zurück.  

Ich mache Rast in einem Pub. Bestelle ein Bier. Der Blick über den Bildschirm des Laptops offenbart eine Szenerie wie in einem Edgar Wallace Film: Zwei Gassen, die sich kreuzen. Altes Gemäuer, schwarze Pfosten - aufgereiht wie Stationen eines Lebens - verbunden mit schwerer Eisenkette. Verkehrsschilder, Abfalleimer, Zeitungskasten. Dazwischen hasten diffuse Gestalten über die Kopfsteinpflaster.
Ich beobachte durch sauber geputztes Fensterglas. Lasse den Gedanken freien Lauf. Heute, hier und jetzt!


Tuesday, December 6, 2011

Einer für alle - oder wie man seine Mitmenschen motiviert

Man könnte zur Vermutung neigen, dass, wäre Alexis Sorbas noch am Leben, die Griechen weniger Probleme hätten... 

...dann stünden vielleicht weniger dunkle Wolken über Europa, den USA, China, ja vielleicht über der ganzen Wirtschaftswelt. Und auch in der unabhängigen Schweiz schiene wieder eher die Sonne!

Und dies alles nur, weil Einer auf der Strasse zu tanzen beginnt...


Da könnte sich die Swiss doch geradezu ideal hervortun. Bei üblen Verspätungen oder miserablen Departure-Slots beispielsweise. Ich schlage vor, dass der Copi oder der Maitre de Cabine (in Notfällen kanns auch mal der Captain sein) in der Abflughalle ein Tänzchen anreisst. Ein Schottisch (klingt zwar auch nicht unbedingt sehr schweizerisch) statt Sirtaki. Ein bisschen Swissness (nicht zu verwechseln mit SwissMess) darfs schon sein. Die Teller können sie ruhig im Galley lassen, sonst wirds vielleicht am End zu teuer.

Mal sehen, ob sich unsere Fluggäste ebenfalls so leicht animieren lassen...

Monday, December 5, 2011

Ohne Socken


Da sitze ich nun also in meinem Hotelzimmer, im Herzen des riesigen Campus der UBC. Nach rund 65 Stunden in Vancouver finde ich mich allmählich zurecht; auf dem Gelände der Universität wie auch in der Stadt selber. Mein erster Eindruck? Es mag unglaublich klingen, doch ich werde einfach das Bild von diesen sockenlosen Kanadiern und –innen nicht los. Ihr müsst euch das einmal vorstellen: Die Maximaltemperaturen betragen 4 Grad, die Menschen sind eingepackt in dicke Jacken und Wollmützen, doch immer wieder begegne ich „Crazy Canucks“, die ihre blutten Füsse in Mokassins, Sneakers oder dünne Halbschuhe stecken. Bei der Studentenschaft kann ich dies ja noch verstehen. Ihr Hauptinteresse muss wohl dem Inhalt ihrer Rucksäcke gelten. Alles andere dürfte in diesen Tagen unwichtig sein. Die Vorlesungen sind zu Ende, ab Mittwoch laufen die Semesterprüfungen. Da werden entsprechende Prioritäten gesetzt und es reicht wohl nicht jeden Morgen für den Griff in die Sockenschublade.

Doch auch in der Stadt trotzen die Kanadier der frostigen Kälte. Es ist Dezember und während in der Schweiz das Gartenmobiliar in Kellern lagert oder in schützende Blachen gewickelt ist, schlürfen diese unerschrockenen Nordamerikaner ihr (immerhin) Heissgetränk im Freien. An kleinen lauschigen Gartentischen vor Starbucksfilialen und anderen Cafés. Ohne Heizstrahler notabene. Nicht etwa, wie man vermuten könnte, handelt es sich ausschliesslich um vertriebene RaucherInnen. Heute beispielsweise beobachtete ich zwei Frauen mit einem wehrlosen, im Buggy festgezurrten Kleinkind. Während die beiden Damen eifrig diskutierten und ihr Mundwerk warm hielten, wurden Nase und Ohren des Mädchens rot und röter. Ein Fall beinahe schon für den Tier- äh Kinderschutz.

A propos Kinder: Auch die eigene Tochter sehe ich ab und zu. Wenn sie denn nicht gerade vorgibt, zu lernen oder zu waschen. Wir treffen uns zum Kaffee, zum Essen oder zwischendurch begleitet sie mich ein Stück weit auf meinen Erkundungstrips durch die Stadt. Das gestrige NHL-Spiel zwischen den (Vancouver) Canucks und den (Calgary) Flames war beinahe schon Pflicht! Wir sassen mit 100 Dollar-Tickets in der obersten Reihe und durften uns dafür jederzeit zu spontanem Jubel erheben, ohne irgendwelche Hinterleute zu stören. Und als nach dem fünften Tor der Lokalmatadoren gar die Welle durch die Rogers Arena brandete, erwies sich die Vogelperspektive definitiv als Vorteil, und wir genossen das Spektakel, als sässen wir nicht in der letzten, sondern in der ersten Reihe.















Meine Nächte sind kurz und entsprechen nicht dem Rhythmus der Studenten. Während diese des Nachts in Büchern und Ordnern blättern, hüpfe ich zeitig in die Federn. Und erwache dann, wenn sich viele auf dem Campus erst zur Ruhe legen: zwischen 0330 und 6 Uhr, lange bevor die Sonne aufgeht. Noch hat sich mein Körper nicht vollständig an die lokale Zeitzone gewöhnt.

Zum Glück gibts Bücher, Laptops und Filme.  

Thursday, December 1, 2011

In vier Stunden

Das Gewissen ist rein. Im Einklang mit den restlichen 81kg meines Körpers. Mein Leumund kann warten. Ob in der Schweiz oder in Abu Dhabi. Meine Vergangenheit ist blütenweiss, mit wenigen grauen Flecken nur. Ausserdem habe ich sämtliche Bussen längst beglichen.

Im Tirol lasse ich, zusammen mit Frau und guten Freunden, für wenige Tage die Seele baumeln. Symbolisch dafür der Sessel auf dem Balkon vor unserem Zimmer. Leider verhindern die Temperaturen genüssliches Schaukeln. Dafür eben, baumelt die Seele.


Und während wir uns unter nächtlichem Himmel im wohlig warmen Solebad strecken, sich über unseren Köpfen der Halbmond räkelt, erläutert meine Frau die Konstellation von Sonne, Mond und Erde. Zumindest versucht sie es. Vor wenigen Stunden erst bei Alex Capus gelesen, strauchelt sie bei den Details.  

Später blättern wir nach, finden auf Seite 148 von Léon und Louise folgende Passage: „...dass bei Halbmond Erde, Mond und Sonne genau im rechten Winkel zueinander stehen, was bedeute, dass der Mond auf der Umlaufbahn um die Sonne sozusagen hinter der Erde herfahre, und zwar in einer mittleren Entfernung von dreihundertvierundachtzigtausend Kilometern und mit einer Geschwindigkeit von hunderttausend Kilometern pro Stunde. Das bedeutet, dass wir vor knapp vier Stunden dort waren und dass der Mond in vier Stunden hier sein wird.“

Der Mond auf unserer Spur – oder wir auf der seinigen. Wie auch immer. Meine Seele hat ausgebaumelt. Es bleiben 24 Stunden fürs Koffer aus- und wiedereinpacken. In knapp vier Stunden (was für ein Zufall!) geht mein Flieger nach San Francisco. Aber eigentlich bin ich unterwegs zur Tochter nach Vancouver.

Ich freue mich auf beide: die Stadt und die Tochter!

Tuesday, November 29, 2011

Der erste Versuch

Den ersten Anlauf habe ich genommen. Den ersten verzweifelten Versuch, meine Unbescholtenheit der letzten fünf Jahre zu belegen. Sehr weit bin ich allerdings nicht gekommen.

Auf dem Papier klingts einfach: Fingerabdrücke soll ich geben, diese amtlich beglaubigen lassen, an das UAE-Konsulat in Genf senden, wo die Zeichen meiner Hand legalisiert und anschliessend an mich retourniert werden. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass bei Angelegenheiten dieser Art Theorie und Praxis nicht selten weit auseinander klaffen. Also wende ich mich vorgängig, um Fehler zu vermeiden, an die emiratischen Behördenvertreter.

Die Telefonnummer ist schnell gefunden. Nach viermaligem Klingeln meldet sich eine weibliche Stimme: „Hotel Schweizerhof, Wächter, Guten Morgen“. (Ich nenne die Dame einfach mal Wächter, es ist dies, wie ihr euch denken könnt, nicht ihr richtiger Name).
Zugegeben, ich bin leicht verwirrt. Doch die Sache klärt sich schnell auf. Ich bin nicht beim Konsulat, sondern bei der UAE-Botschaft gelandet, die sich seit Kurzem in den Hallen des noblen Hotels eine Dépendance eingerichtet hat. Die publizierte Nummer gehört allerdings zur Hotel-Rezeption. Frau Wächter gibt mir eine Direktwahlnummer, allerdings geht dort niemand an den Apparat. Ist ja auch erst 0935h. Es folgen weitere Versuche im Zehnminutentakt. Beim vierten Anlauf klappts, die Frau parliert fliessend Deutsch und Arabisch und erklärt mir alsdann in der ersten der beiden Sprachen, dass das Amt leider nicht in der Lage sei, Beglaubigungen auszustellen. Ich möge mich doch an das Konsulat in Genf wenden.

Dort erhört man mich bereits beim zweiten Versuch. Nachdem ich mein Anliegen vorgebracht habe, werde ich weitergeleitet. Der Herr spricht Englisch, mit schwerem arabischem Akzent. Es kommen Heimwehgefühle auf. Sie werden noch stärker, als mir der Beamte mit monotoner Stimme das Prozedere herunterleiert und dabei betont, dass ich mich akkurat an die Vorgaben zu halten hätte.

Als nächstes wähle ich die Nummer der Stadtpolizei Winterthur und erkundige mich nach der Möglichkeit, Fingerabdrücke nehmen zu lassen. Ein Gefühl schwingt mit, als streckte ich den kleinen Zeh in den Sumpf urbaner Kleinkriminalität. Meinem Arbeitgeber pressierts mit dem Leumundszügnis, also presto, presto: Ich erhalte einen Termin am nächsten Morgen um 10 Uhr.

Dann rufe ich die Gemeindeverwaltung an. Schliesslich müssen meine Fingerprints amtlich beglaubigt werden. Doch dafür leitet mich die nette Dame am anderen Ende der Leitung sogleich an die Notariatsstelle weiter.

Eine neue Nummer, ein neuer Anruf. Eine Beglaubigung meiner Fingerabdrücke sei kein Problem, allerdings müsste ich dann die Abdrücke bei ihnen nehmen lassen. Das macht Sinn. Einen Termin bräuchte ich nicht. „Kommen Sie einfach vorbei“.

Ich mache mich gleich auf den Weg. Allerdings erst, nachdem ich bei der Polizei zurückgerufen und die Abmachung des folgenden Morgens annulliert habe.
Auf dem Notariat herrscht Unsicherheit. Solls nur der Daumen sein, die ganze Hand oder gar sämtliche zehn Finger? Ob ich ein Formular des Konsulats mitgebracht hätte oder ob ein weisses Blatt genügen würde. Woher soll ich denn das wissen? Ich rufe Tim an, der für selbiges Verfahren diesen Sommer extra nach Abu Dhabi geflogen ist. Sämtliche Finger wärens bei ihm gewesen, meint er, und die Handballen dazu...!

In der Folge dekoriere ich ein jungfräulich weisses Blatt mit schwarzer Tinte. Vom kleinen Finger bis zum Daumen, linke Hand, rechte Hand. Anschliessend wasche ich mir die Hände. Meine Finger sind noch feucht als mich der Beamte heisst, das Ganze aus Symmetriegründen zu wiederholen. Ich tue artig wie gebeten, anschliessend strecke ich meine Hände ein zweites Mal unter den Wasserstrahl.
Noch am gleichen Nachmittag verschwinden sämtliche Dokumente und Kopien in einem Couvert, das ich vor Einbruch der Dunkelheit in den Briefkasten werfe. Phuhh – geschafft. Denkste....

Drei Tage später liegen die Unterlagen wieder auf meinem Bürotisch. Unbearbeitet, versehen jedoch mit einer Anweisung des UAE-Konsulats, die Legalisierung bei der Staatskanzlei des Kantons Zürich durchzuführen. Ich muss den Brief mehrmals lesen, bis ich die Message verstehe. Alles ein bisschen verklausuliert, durchsetzt mit Begriffen, die mir fremd sind und die mich verwirren.

Ich habe bereits bei der Staatskanzlei nachgefragt. Sollte kein Problem sein. Doch sie beglaubigen lediglich Fingerabdrücke, die bei der Kantonspolizei gemacht worden sind...

Es gibt kein Wenn und Aber. Zurück auf Feld 1 – so ein Ärger.

Jetzt gehts erst einmal in die Ferien...

Thursday, November 24, 2011

Vom Regen und von nackten Beinen

Der Regen trommelt auf die Frontscheibe. „Swiss 14E turn right Heading 260“. Der Copi, nennen wir ihn Roland, dreht am entsprechenden Knopf für die Bedienung des Autopiloten und der A330 legt sich in eine sanfte Rechtskurve. Um 1600 Uhr hätten wir landen sollen, jetzt, kurz bevor wir in den Endanflug auf die Piste 04R des JFK-Airport eindrehen, stehen die Zeiger bereits bei 16.35 Uhr. Wir fliegen durch Wolkenfetzen, die sich vor dem dunklen Grau des Abendhimmels in mattem Weiss abzeichnen. Auf 3000ft bläst der Wind noch immer mit 40 Knoten. Immer wieder schütteln uns Böen. Wir ziehen unbeirrt unsere Bahn

Roland hat erst gerade auf den A330 umgeschult. Er ist jung, hat 2004 seine Matur gemacht. Da war die Swissair bereits Geschichte. Sein Training ist noch nicht abgeschlossen. Hinter uns sitzt ein Instruktor und verfolgt aufmerksam das Geschehen. Dabei konzentriert er sich vor allem auf Roland, der seinen Line-Check absolviert und der seine Sache ausgezeichnet macht. Seit neun Stunden sind wir bereits in der Luft. Wenn sich die Jetstreams über dem Nordatlantik halten, werden wir morgen Nacht leichten Flügels nach Zürich sausen.

„Swiss 14E turn further right Heading 020, follow Localizer runway 04R and maintain 180kts till Ebbee“. Wir drehen weiter und armieren den Autopiloten. Drei Meilen vor uns tuckelt ein A320 einer amerikanischen Airline, hinter uns folgt, im gleichen Abstand, eine Maschine der EL AL. Wieder rütteln Böen am Flugzeug. Es wär, als würden sie uns nach langer Flugzeit mahnen, nicht einzuschlafen, wach und konzentriert zu bleiben, bis dass wir an unserem Parkplatz angelangt und die Triebwerke abgestellt sind.

Eigentlich wäre dies ja mein freier Tag. Ich könnte entspannt in unserer Wohnung sitzen und lesen, dösen, Radio hören, mich um Regen und Böen in New York foutieren. Am Donnerstag hätte ich nach Tokyo fliegen sollen. So wars ursprünglich vorgesehen. Franziska weilt noch immer auf Freundschaftsbesuch in Doha. Ich versuche, das familiäre Rest-Equilibrium aufrechtzuerhalten. Heute beispielsweise hatte ich die Absicht, für Nina und eine ihrer Freundinnen nach der Schule Mittagessen zu kochen. Ein bescheidenes, einfaches Mahl (mehr kann ich nicht) ohne Salat (meine Sauce...).

Roland hat den Flieger sauber auf der ILS stabilisiert. Aufgrund des starken Gegenwindes erhöht der Bordcomputer unsere Anfluggeschwindigkeit um satte 25 Knoten. Das wird sich später noch ändern. Nochmals durch einen Regensack, dann tauchen am Horizont die Pistenlichter auf. Es wird Rolands erste Landung in New York. Sein erster Besuch im „Big Apple“ überhaupt. Er schaltet den Autopiloten aus und ich starte meinen Scheibenwischer, der in der Folge mit regelmässigem Surren wie ein Irrer auf meiner Frontscheibe hin- und herfegt.

Der Anruf vom Crew Control kam unerwartet. Am Dienstagabend, ich sass gerade in einem Café und wartete auf Nina. Der Kollege am anderen Ende der Leitung wirkte etwas verloren. Es würden Kapitäne für drei A330-Flüge vom Mittwoch fehlen, erklärte er. Ob ich allenfalls gewillt wäre, auszuhelfen. Da sass ich Unschuldiger nun, und hatte unvermittelt die Wahl zwischen vier Flügen: Mumbai, Delhi oder New York am Mittwoch, oder mein ursprünglich geplanterTokyo vom Donnerstag. Zuerst wollte ich wissen, wie ein Wechsel meine anstehenden Ferien beeinflussen würde. „Kein Problem“, meinte der Suchende vom Crew Control. „Sie sind früher zurück und haben länger frei vor den Ferien“. Mit Speck fängt man Mäuse. Ich versuchte abzuwägen: Kinder, Ferien, Freitage, Fukushima, indische Kopfmassage oder Central Park – dann entschied ich mich spontan für New York.

Noch wenige Sekunden bis zur Landung. Roland kämpft mit den Elementen. Der Wind ändert in Richtung und Stärke und macht es ihm nicht einfach. Die Geschwindigkeit nimmt ab, die Triebwerke heulen, bevor sie wenig später wieder zurückspulen. Sanft setzen wir auf. Der dunkle Betonriemen schluckt uns wie ein hungriges Raubtier. Hinter uns nähert sich, bedrohlich nah, die EL AL-Maschine. Wir drehen auf den nächsten Rollweg, wechseln die Funkfrequenz und beginnen mit der „After landing“-Checkliste. Es war dies erst Rolands fünfte A330-Landung im Streckeneinsatz. Keiner der Passagiere hats bemerkt. Ich hätte es nicht besser gekonnt. In New York regnet es noch immer.

Morgen ist Thanksgiving. Alles ist bereit für die grosse Parade durch Manhattan. Sogar die Hunde werden kostümiert. Immerhin dürfen sie, anders als tausende von Truthänen, weiterleben. Ich mag es ihnen gönnen.

Und morgen wird dann auch die Sonne scheinen. Zum Glück. Sonst fröre der Feuerwehrmann noch an seine nackten Beine...



Sunday, November 20, 2011

Guten Morgen!

Bonjour! 
Ich muss das Thema wechseln. Auch wenn der Morgen noch früh und meine Denkmaschine träge ist. Doch die Buhlereien um Piloten und Lotsinnen (mit falschem Namen) ufern aus und lenken vom Thema ab. Also konzentrieren wir uns zukünftig wieder auf Headings und Altitudes und weniger auf wer mit wem, wann und wohin. Und überhaupt – lieber Dani Weder – wäre es längst an der Zeit, für die skyguide-Truppe wieder Observerflüge einzuführen. Ein Zeichen für die Sicherheit! Ich bin genauso dafür, wie ich gegen die beiden Flughafenvorlagen bin. Damit dies an dieser Stelle auch einmal gesagt ist!  

Good Morning! 
Es ist wirklich saumässig früh, fühlt sich an, wie ein Kurzstreckenpilot. Draussen herrscht tiefe Nacht, als der Handy-Wecker piepst. Ich muss die Tochter wecken. Montag. Schultag. Die Frau hat sich gestern – von Heim- und Fernweh geplagt – für einige Tage nach Dubai und Doha abgesetzt. Und während sie, in leichter Sommerkleidung, mit Freundinnen in lauschigen Gärten unter Palmen am Rotweinglas nippt, habe ich mich der Aufrechterhaltung von innerer Ruhe und Ordnung verpflichtet. Vor allem Letzteres wird bereits nach wenigen Stunden ein ernsthaftes Thema. Die Jungmannschaft verteilt zwar keine Legosteine mehr im Domizil, dafür pflastern Socken und T-Shirts die Laufstrecke zwischen ihren Zimmern und dem Bad. Und die aus Arabien eingeführte Katze, die bei den hiesigen Temperaturen nicht einmal mehr daran denkt, sich ins Freie zu begeben, kackt munter in ihre Indoor-Kiste und schaufelt anschliessend den halben Inhalt durchs Badezimmer. 

Sabah al Khair! 
Für die Krönung aber hat mein Arbeitgeber gesorgt! Damit sicher keine Langeweile aufkommt. Gewisse Stellen haben nämlich realisiert, dass ich, aufgrund gewisser EU-Normen beim Wiedereintritt in die Swiss den Nachweis unbescholtenen Bürgerverhaltens erbringen muss. Rückwirkend über die vergangenen fünf Jahre! Sooo einfach ist das allerdings nicht. Das vom UAE Ministry of Interior vorgegebene Verfahren verlangt Fingerabdrücke sowie eine Beglaubigung derselben durch das in Genf ansässige Konsulat. Wenns pressiert müsste ich einfach schnell nach Abu Dhabi fliegen und die Dokumente vor Ort einholen. So, wie das unser Sohn im August gemacht hat. Warum nur, wurde mir das nicht früher mitgeteilt? Jetzt verbringe ich meine Freitage damit, einen Polizeiposten zu suchen, der sich dazu hingibt, einem „Nicht-Kriminellen“ die Finger in die Tinte zu tunken. Und sooooooo lange Beine wie die Tatort-Kommisarin von gestern Abend werden die hierzulande wohl kaum haben...

Guten Morgen!  
Fortsetzung folgt, Inshallah... 

Friday, November 18, 2011

Zu dritt im Cockpit

Wenn Piloten in ihren Cockpits sitzen, Knöpfe drücken, Triebwerke starten, Checklisten abspulen, Navigationscomputer füttern und Funkmeldungen absetzen gibt es andere, die eben diese Meldungen entgegennehmen, verarbeiten, durchdenken, koordinieren und letztlich neue Anweisungen erteilen. Dabei gilt das Prinzip der bedingungslosen Unterwerfung. Das Sagen haben die Damen und Herren im Tower und in den Kontrollzentren. Uneingeschränkt. Die Flugzeugführer tun wie ihnen geheissen. Widerspruchslos. Und das ist in der Regel gut so.

Doch dahinter steckt mehr als simples Befehlen und Befolgen. Das Zusammenspiel zwischen Flugverkehrsleitstelle und Flugzeug garantiert mehrheitlich reibungslose Verkehrsflüsse auf Flughäfen und dicht beflogenen Luftstrassen, die übrigens schon lange nicht mehr nach Farben benannt werden. Mehr noch: Ziehen Piloten nicht nur egoistisch an ihren Steuerknüppeln sondern mit den Flugverkehrsleitern am gleichen Strick, wird die Effizienz gesteigert und die Umwelt geschont. Und erst noch viel Geld gespart.
Solches ist möglich, wenn gegenseitig transparent kommuniziert wird. Unnötige Stops beim Rollen beispielsweise kosten Geld. Um ein vollgetanktes und schwerbeladenes Langstreckenflugzeug mit vier Triebwerken aus dem Stand in Bewegung zu setzen, bedarf es einer gewissen Schubkraft und einer entsprechenden Spritmenge. Auch schlagen Direktanflüge günstiger zu Buche als endlose Warteschlaufen. Wissen die Piloten um die Anflugstaus, werden sie von den Lotsen frühzeitig informiert, kann allenfalls der Sinkflug verzögert oder frühzeitig die Geschwindigkeit abgebaut werden. Beides reduziert den Spritverbrauch.
Auf der anderen Seite sind die Lotsen bei ihrer Koordination der Verkehrsflüsse darauf angewiesen, dass die Flugzeugführer zugewiesene Geschwindigkeiten, Sinkraten und andere Restriktionen beachten. Oder dass sie, die Piloten, zur gegebenen Zeit bereit sind für den Triebwerkstart (was allerdings nicht immer nur in ihren Händen liegt...).

Vor langer Zeit – es war einmal – kamen die Damen und Herren Flugverkehrsleiter regelmässig in den Genuss sogenannter „Observerflüge“. Sie erhielten Gelegenheit, uns Piloten bei der Arbeit im Cockpit über die Schultern zu schauen. Dies half den Lotsen, pilotische Belange besser zu verstehen und die eigene Methodik zu erklären. Die Diskussionen förderten das gegenseitige Verständnis, schafften Transparenz. Bis eines üblen Tages der schöne Zauber dem Rotstift umtriebiger Finanzcontroller zum Opfer fiel.

Dadurch lassen sich nicht alle entmutigen. Wer will, findet Wege. Beispielsweise Chantal, nennen wir sie mal so, deren Anspruch an die eigene Professionalität auch vor einigen Franken, die sie in ein ID-Ticket investieren muss, nicht Halt macht. Und so begleitet sie uns dieser Tage nach Tel Aviv und zurück.
Bereits bei der Flugplanung, am (zumindest für einen Langstreckenpiloten) frühen Morgen, gesellt sich Chantal zu uns. Später schwingt sie sich routiniert auf den dritten Cockpitsitz – es ist schliesslich nicht ihr erstes Mal – und verfolgt interessiert unser Schaffen. Vor allem hört sie konzentriert mit. Auf den Zürcher Funkfrequenzen werden zahlreiche Grüsse ausgerichtet. Irgendwie klingen die Stimmen der Kolleginnen und Kollegen von der ATC vertrauter als sonst. Alles läuft wie am Schnürchen und auch bei der Rückkehr am Abend fädeln wir ungeniert und ohne Verzögerung in die Schlange der anfliegenden Maschinen ein.
Chantal schmunzelt. Wir Piloten geben uns Mühe, die Flughöhe der verbleibenen Distanz anzupassen, was ganz manierlich gelingt. Pünktlich parkieren (für die Leser aus dem Merkel-Land: parken) wir den A340 am Dock, setzen die Bremsen und stellen die Triebwerke ab. Wir sind uns näher gekommen; Chantal, der Copi und ich. Nicht unbedingt biologisch, zweifellos aber auf der beruflichen Ebene.

Wer auf eine Schlusspointe hofft, wird enttäuscht. Es gab keinen Haken. Keine randalierenden Passagiere, keine technischen Probleme, weder Donnersturm noch Schnee oder Nebel. Der Tag im Cockpit zu dritt war ein Erfolg. Erinnerungen an die guten alten "Jumbo-Flight Engineer"-Zeiten wurden geweckt. Wir haben ausgetauscht. Alles lief rund. Mit Ausnahme des Eishockeyspiels vielleicht, das ich nach der Landung besuchte. Wo der Sohn mitspielte und derart übel in die Bande gecheckt wurde, dass sich am folgenden Tag ein Besuch bei jenem Zahnarzt aufdrängte, der Notfalldienst verrichtete. Nach Röntgen, drei Spritzen und einer Stunde filigraner Dentalkunst war die Sache gegessen und der Frontzahn sah wieder ansprechend aus. A propos Essen: Auch Tim konnte nach Stunden des Hungerns wieder feste Nahrung zu sich nehmen.

So zumindest haben mir die Familienauguren berichtet. Denn ich war bereits auf dem Weg nach Delhi.

Sunday, November 13, 2011

Heulende Motoren

Heute sind sie gefahren in Abu Dhabi. Hautnah aufgezeichnet von unzähligen TV-Stationen. Arabischer Zauber unter wolkenlosem Himmel. Männer in Kandooras zwischen den uniformen Overalls der Mechaniker. Überall T-Shirts und Sonnenbrillen. Gebräunte Haut. Yachten in der Hafenanlage, Cüplis auf dem Deck. Und immer wieder Palmen, Palmen, Palmen. Über den Tribünen legt sich ein A340-600 der Etihad in eine flache Kurve. Ich habe die Stunden nie gezählt, die ich im Cockpit dieser Maschine verbracht habe. Wer wohl jetzt am Steuerknüppel sitzt? Bei zwei Namen bin ich mir ziemlich sicher...

Ob es Zufall ist, dass uns ausgerechnet heute eine Email aus Abu Dhabi erreicht, in der Freunde von einem Bootsausflug berichten? Das Wasser würde langsam „chilly“. Was heisst das schon? Vielleicht 26 Grad? Da tut sich der Zürisee schwer. Auch im Hochsommer.

Die Bilder aus den Emiraten lassen mich nicht los. Soeben von Boston zurückgekommen, sollte ich eigentlich ins Bett. Drei Stunden Schlaf wären kein Luxus. Doch ich kann mich nicht von der Mattscheibe lösen. Sauge das Gezeigte in mir auf, suche angestrengt bekannte Gesichter. In der Boxengasse halten Etihad-Flight Attendants Namenstafeln in die Höhe. Es wäre ja möglich...

Irgendwann schlafe ich ein. Das eintönige Heulen der Motoren paralisiert meine Sinne. Ach ja – natürlich wird auch autogefahren: Armer Vettel, glücklicher Hamilton. Vor einem Jahr begegneten wir ihm beim Nachtessen im Shangri-La. Ein Foto mit Linda liefert den Beweis. Jetzt lebt die Tochter in Vancouver und meine Wenigkeit döst in Winterthur auf dem Sofa.

Und in Abu Dhabi, da heulen die Motoren.

Saturday, November 12, 2011

11

11 ist die kleinste existierende Schnapszahl und die kleinste zweistellige Primzahl. Zerlegt man sie in ihre Ziffern und ordnet den beiden Einsen die Buchstaben des Alphabets zu, so erhält man AA. Die beiden Buchstaben gelten im Islam als heilig. Denn AA ist eine Abkürzung für „Allahu Akhbar“, was so viel heißt wie „Gott ist groß“. Für muslimische Gläubige ist die Elf also eine besonders religiöse Zahl.
Auch in der Bibel kommt der 11 eine spezielle Bedeutung zu. Es ist bekannt, dass Jesus von Nazareth zwölf Jünger hatte. Aber nur elf der 12 hielten ihrem Meister die gelobte Treue. Der Zwölfte, Judas, verriet Jesus für wenig Geld. Woraus man die These entwickeln könnte, dass elf die ideale Zahl für Treuebünde ist.
Die 11 bringt aber nicht nur Pfarrerherzen und Mathematikerseelen in Schwung. Erscheint sie doppelt auf den Kalenderblättern – als 11.11 – erlöst sie eingefleischte Fasnächtler vom langen Warten. Und taucht sie gar in heiliger Dreifaltigkeit auf, brechen viele Romantikerherzen. Standesämter und Kirchen gehen unter in der Flut heiratswilliger Paare.. 

Auf den nächsten 11.11.11 wird die Zeitschreibung lange warten müssen. Wer gepatzt hat (wobei auch immer), kann bestenfalls noch einmal am 12.12.12 Anlauf nehmen. Nachher brauchts viel Geduld und noch mehr Enkelkinder bis zum nächsten „Triple date“. Bis zum 01.01.(300)1 dauert es nämlich satte 988 Jahre...

Ah – etwas wollte ich noch anfügen: Ich habe gestern weder geheiratet, noch habe ich mir eine Fasnachtsmaske über den Kopf gestülpt, sondern bin artig, wie vom Arbeitgeber geheissen, nach Boston geflogen. Bei USA-Trips müssen auch Besatzungsmitglieder ein Zollformular ausfüllen. Wer die Amerikaner kennt, weiss um ihre Eigenheiten, beispielsweise bei der Datumsschreibung: Zuerst der Monat, dann erst kommt der Tag.
Das spielte gestern für einmal keine Rolle, es gab nicht viel zu überlegen: Der 11/11 bleibt der 11/11. Da machen auch die US-Boys und Girls keine Ausnahme.   

Tuesday, November 8, 2011

Am Tag danach


Ein vielversprechender Morgen. Stahlblau der Himmel. Zumindest jene Flecken, die ich zwischen den Wolkenkratzern ausmachen kann. Die Luft ist frisch aber nicht kratzig, die Temperatur kühl jedoch nicht frostig.

New York, Manhattan. 24 Stunden nach dem Marathon. Montagmorgen. Menschenmassen auf dem Weg ins Büro. Hupende Autos, heulende Sirenen. Auf einer Kreuzung regelt eine uniformierte Polizistin den Verkehr. Mit einer Trillerpfeife im Mund, die sie oft und gerne einsetzt, und mit weissen Handschuhen, derer sie sich immer wieder mal entledigt. Kommunikation ohne Worte. Die Mütze hat die Verkehrshüterin südamerikanischer Abstammung tief in die Stirn gezogen. Amüsiert beobachte ich ihr Treiben. Mit heftigem Winken, begleitet von kurzen Piffen, treibt sie die Autofahrer an. Dann hebt sie gebieterisch die rechte Hand, stoppt die, auf der 33rd Street heranbrausenden Wagen, dreht sich um 90 Grad und heisst jene, die auf dem Broadway warten an, ihre Fahrt fortzusetzen. Die New Yorker tun, wie ihnen geheissen. Ob im Auto oder zu Fuss. Geduldig lassen sie den Morgenverkehr und die pfeifende Polizistin über sich ergehn.
Doch es sind nicht nur Einheimische, die sich morgens um Acht auf der Strasse tummeln. Wie zu jeder Tages- und Jahreszeit bevölkern zahlreiche Touristen, und an diesem Morgen auffallend viele SportlerInnen die Innenstadt. Woran ich sie erkenne? Für einmal an der Art ihrer Fortbewegung. Oftmals schleppend, hinkend, einigen ist die Pein ins Gesicht geschrieben.

Gestern, als wir mit dem Bus vom Flughafen in die Stadt fuhren, entdeckten wir den Strom der LäuferInnen auf einer Brücke, die über die Autobahn führt. Später begegneten sie mir in den Strassenschluchten, auf dem Weg in ihre Hotelzimmer. Sie fröstelten, einige zitterten. Über die Schultern hatten sie eine wärmende Decke geschlagen, die in riesigen Lettern die erfolgreiche Absolvierung des New York Marathon belegte.

47000 Menschen quälten sich über die 42 Kilometer. Heute ist Montag und viele verlassen New York, um zurück in die Heimat zu fliegen. Auch unter unseren 226 Passagieren finden sich zahlreiche LäuferInnen, unter anderem der ehemalige Ski-Abfahrer Marco Büchel oder Markus Gygax, der Kommandant der Schweizer Luftwaffe. Zuletzt begegnet bin ich ihm im Januar 2010 in Abu Dhabi. Bei einem Raclette-Schmaus im Haus des Schweizer Botschafters. Wir sassen am selben Tisch. Heute sitzen wir im selben Flieger. Rollen auf dem JFK-Airport 25 Minuten bis zum Start und fliegen in sieben Stunden und 20 Minuten nach Zürich. Ich offeriere ihm für die Landung einen Sitz im Cockpit, das sich deutlich geräumiger präsentiert als die Pilotenkanzel eines Kampfjets. Pünktlich setzen wir auf, beinahe mit militärischer Präzision. Schade, dass sich Marathonläufe nicht in gleicher Manier wie ein Langstreckenflug planen lassen.

Schade auch, dass die sportliche Spitzenleistung mit Blasen und schmerzenden Muskeln honoriert wird. Blasen und schmerzende Muskeln, unter denen heute – am Tag danach – mit Sicherheit einige tausend Teilnehmerinnen des New York Marathon leiden.

Bei einigen könnte es etwas länger dauern...


Thursday, November 3, 2011

Der Ofen ist aus!

Diese Vorlage nehm ich an! Wenn auch unter erschwerten Bedingungen.

Denn während Kollege nff sein beeindruckendes Rist zum einen vor der stärkenden Bettruhe, zum anderen bei wärmendem Feuer und einem Glas Wein schoss, tue ich dies zur frühen Morgenstund. Zu einer Zeit, als die liebe Gattin gebannt hinter ihrem Mac sitzt, Kaffee trinkt und die Tagesnews studiert. Da blieb ihr bislang keine Zeit, den Ofen einzuheizen. Nein - der Ofen ist aus!

Ausserdem habe ich mich eben erst aus den Federn gekämpft. Bin noch nicht richtig wach. Nach der gestrigen Rückkehr von Boston (verbunden mit äusserst wenig Schlaf) empfand ich es wie immer als eine Wohltat, die ganze Nacht im eigenen Bett neue Kräfte tanken zu können.

Und noch ein kleines Detail zum Schluss: In Ermangelung einer passenden Unterlage konnte ich bei dieser spontan geschossenen Aufnahme meine Füsse nicht abstützen, was gehörig in die Bauchmuskeln fährt. Solches kann mir jedoch bei der Rückbildung meines, über die Jahre etwas verloren gegangenen Sixpack nur recht sein...

Wednesday, November 2, 2011

Premierenabend

Üblicherweise heben die Nordatlantik-Flüge der Swiss nach New York, Chicago, Miami, San Francisco, Los Angeles oder Montreal am Morgen oder zur Mittagszeit in Zürich ab. Die Ankunft am Zielort erfolgt am Nachmittag und erlaubt uns Besatzungsmitgliedern ein ordentliches Nachtessen oder, hie und da, den Besuch eines Theater- oder Eishockeyspektakels.

Schon wieder Eishockey, mögen einige Leser denken. Und schon wieder Starbucks, wird es anderen gleich durch den Kopf schiessen. Der erste Becher Skinny Vanilla Latte ist leer, auf einen zweiten habe ich heute Morgen keine Lust. Stattdessen hole ich mir einen Orangensaft. „No sugar added“ heisst es auf der Etikette. Gut so, das lässt (Kalorien)Raum für einen späteren Abstecher in die nahe gelegene Cheesecake Factory.

Boston bildet also die Ausnahme bei den Nordatlantikflügen der Swiss. Jene, welche die Regel bestätigt. Der späte Start um 17.25 Uhr stellt mein „Nordatlantik-Schema“ auf den Kopf. Es ist ungewohnt, um diese Zeit in westlicher Richtung über den Teich zu fliegen. Mir wird bewusst, dass mein Empfinden Ausdruck einer, über viele Berufsjahre erworbenen Konditionierung ist: Am Abend ruft der Ferne Osten, wer aufsteht geht nach New York posten. Oder so ähnlich...  

Beim Triebwerkstart gestern Abend war es bereits dunkel. Nach dem Einfahren der Fahrwerke tauchten wir in jene graue Suppe, die uns den lieben langen Tag die Sonne vorenthalten hatte. Es dauerte nur wenige Minuten, dann lösten wir uns aus schummrigen Hochnebel-Fetzen und konnten uns andeutungsweise ausmalen, welch prächtige Herbststimmung wir Unterländer während des Tages verpasst hatten: Auf der linken Seite die Lichter der Stadt Zürich, im fernen Hintergrund die Silhouette der Berner Alpen und am Himmel die Sichel eines zunehmenden Mondes.

Den Nordatlantik traversierten wir bei völliger Dunkelheit. Auch bei der Landung in Boston war der Himmel über uns schwarz. Das Lokalgebräu und der Burger in der Hotelbar mundeten trotz der vorgerückten Stunde vorzüglich.

Knapp 24 Stunden später: Als wir des Abends am Flughafen eintreffen und unsere Koffer an einem der Swiss-Check-In Schalter deponieren, scheint der grosse Passagieransturm bereits vorbei. Vielleicht steht er auch erst bevor, auf jeden Fall sichten wir nur wenige der angesagten 200 Fluggäste. Dafür fällt mir an einem der Schalter eine Dame mit einem mächtigen, weissen Cellokasten auf. Sie ist in Begleitung eines älteren Herrn. Die beiden wirken verunsichert. Erstklasspassagiere, teilt man mir mit. Leider hätten sie es versäumt, für das Saiteninstrument einen zusätzlichen Sitz zu buchen. Nicht mein Problem, schiesst es mir zuerst durch den Kopf, schliesslich wende ich mich trotzdem an das ungleiche Paar. Der Herr erwidert freundlich, zuerst auf Englisch, dann in Deutsch mit osteuropäischem Akzent, dass sie bei Reisen in der First Class noch nie einen Extrasitz fürs Cello benötigt hätten. Die Dame schweigt, verlegen lächelnd.
Phuhh, da bin ich wohl der falsche Ansprechpartner. Fragte jemand nach den Sofortmassnahmen bei einem Triebwerkausfall, könnte ich helfen, die Vorschriften für Reisen mit Cellos sind mir allerdings weniger geläufig.
Doch die beiden Musiker – ich muss wohl annehmen, dass es sich um solche handelt – verhalten sich ausnehmend freundlich und verständnisvoll, was sich positiv auf meine Helferinstinkte auswirkt. Nach einem kurzen Gespräch mit der Kabinenchefin erläutere ich der Dame am Check-In unsere Bereitschaft zu einer flexiblen Problemlösung.

Das Cello landet letztlich in einer Garderobe, wo es verstaut und anständig gesichert wird. Kein zusätzlicher Aufwand, kein Ärger, keine unnötige Verzögerung für die beiden Musiker, die sich bei meiner Begrüssung in der First Class noch einmal gebührlich bedanken.
Später werden wir erfahren, dass es sich hier um den weltberühmten lettischen Violonisten Gidon Kremer sowie die junge litauische Cellistin Giedre Dirvanauskaite handelt. Noch vor wenigen Stunden haben die beiden in der Boston Symphony Hall brilliert, jetzt sind sie unterwegs nach Madrid (mit einem gebuchten Business-Class „Cellositz“ für den Anschlussflug).  

Kremer hat mit zahlreichen bedeutenden Orchestern und Dirigenten wie Leonard Bernstein, Herbert von Karajan, Lorin Mazel oder Zubin Mehta gespielt.

Mit meiner Wenigkeit ist er jedoch noch nie geflogen. Dieser Premierenabend scheint – trotz kleiner Obstruktionen – geglückt.


Sunday, October 30, 2011

Do you speak English?

„Of course“. Oder nicht? Oder schon? Oder vielleicht eher mabye...?

Sprachen beweisen sich immer wieder als Wundertüten. Mitunter auch die eigene. Wir kämpfen mit Genitiv und Dativ, mit Artikeln, Konjunktiven und nicht immer ganz perfektem Perfekt. Da bin ich doch beispielsweise kürzlich, beim unverbindlichen Morgen-Googeln (hat nichts mit dem Morgen-Gurgeln nach dem Zähneputzen zu tun...) auf eine verzweifelt nach der korrekten Mehrzahl von „Gugelhupf“ Suchende gestossen: Gugelhupfs, Gugelhüpfe oder bleibts beim singulären Gugelhupf..?
Weder noch. Laut Duden backen wir – so wir es denn tun – Gugelhupfe! Ist ja letztlich nicht sooo wichtig, Hauptsache der hupfige Kuchen mundet.

Das simple Beispiel aus dem Alltagsleben legt auf brutalste Weise die Tücken unserer Muttersprache offen. Was aber, wenns um Fremdsprachen geht? Um Englisch beispielsweise, das uns im täglichen Leben immer und jederzeit begleitet. Den Schulkindern wirds bereits in frühen Primarschuljahren eingetrichtert und hat dem Französisch vor Jahren den Rang abgelaufen. Nach wie vor schwärmen Jugendliche nach der Ausbildung für Sprach-, Bar- und andere bereichernde Aufenthalte (die Reihenfolge ist zufällig gewählt) nach England, Australien oder in die USA. Unsere Alltagssprache ist gespickt mit Anglizismen.

Doch – Hand aufs Herz – wie mächtig sind wir denn des Englischen wirklich? Meine Wenigkeit zumindest, ich gebs zu, hat sich überschätzt. Als vor wenigen Tagen der Sohn, intellektuell geschwängert vom universitären Unterricht, in der Stube stand und mir grinsend 200 Franken für die fehlerfreie Lesung eines englischen Gedichts bot. „Im ersten Anlauf...“, fügte er noch an. Was mich keineswegs misstrauisch stimmte. Im Gegenteil, das linguistische Feuer war entfacht!

Allein – es erlosch innert Minuten, scheiterte ich doch kläglich bereits im ersten Vers.
Nomen est Omen: Meine Lesung war so chaotisch wie der Titel des Gedichts - "The Chaos" - und ich habe mir zungenbrecherische Rache an den Erfindern der englischen Sprache geschworen.

Ob ihr es versuchen wollt?

Und wirklich nur für alle Fälle, für jene, die scheitern, füge ich am Schluss den rettenden Link zur fehlerfreien Rezitation an. Denn in der Tiefe meines Herzens bin ich mir fast sicher, dass auch ihr es nicht ganz ohne Hilfe schafft...


Dearest creature in creation
Studying English pronunciation,
I will teach you in my verse
Sounds like corpse, corps, horse, and worse.
I will keep you, Suzy, busy,
Make your head with heat grow dizzy.
Tear in eye, your dress you'll tear.
So shall I!
Oh hear my prayer.
Just compare heart, beard, and heard,
Dies and diet, lord and word,
Sword and sward, retain and Britain.
(Mind the latter, how it's written.)
Now I surely will not plague you
With such words as plaque and ague.
But be careful how you speak:
Say break and steak, but bleak and streak;
Cloven, oven, how and low,
Script, receipt, show, poem, and toe.
Hear me say, devoid of trickery,
Daughter, laughter, and Terpsichore,
Typhoid, measles, topsails, aisles,
Exiles, similes, and reviles;
Scholar, vicar, and cigar,
Solar, mica, war and far;
One, anemone, Balmoral,
Kitchen, lichen, laundry, laurel;
Gertrude, German, wind and mind,
Scene, Melpomene, mankind.
Billet does not rhyme with ballet,
Bouquet, wallet, mallet, chalet.
Blood and flood are not like food,
Nor is mould like should and would.
Viscous, viscount, load and broad,
Toward, to forward, to reward.
And your pronunciation's OK
When you correctly say croquet,
Rounded, wounded, grieve and sieve,
Friend and fiend, alive and live.
Ivy, privy, famous; clamour
And enamour rhyme with hammer.
River, rival, tomb, bomb, comb,
Doll and roll and some and home.
Stranger does not rhyme with anger,
Neither does devour with clangour.
Souls but foul, haunt but aunt,
Font, front, wont, want, grand, and grant,
Shoes, goes, does. Now first say finger,
And then singer, ginger, linger,
Real, zeal, mauve, gauze, gouge and gauge,
Marriage, foliage, mirage, and age.
Query does not rhyme with very,
Nor does fury sound like bury.
Dost, lost, post and doth, cloth, loth.
Job, nob, bosom, transom, oath.
Though the differences seem little,
We say actual but victual.
Refer does not rhyme with deafer.
Feoffer does, and zephyr, heifer.
Mint, pint, senate and sedate;
Dull, bull, and George ate late.
Scenic, Arabic, Pacific,
Science, conscience, scientific.
Liberty, library, heave and heaven,
Rachel, ache, moustache, eleven.
We say hallowed, but allowed,
People, leopard, towed, but vowed.
Mark the differences, moreover,
Between mover, cover, clover;
Leeches, breeches, wise, precise,
Chalice, but police and lice;
Camel, constable, unstable,
Principle, disciple, label.
Petal, panel, and canal,
Wait, surprise, plait, promise, pal.
Worm and storm, chaise, chaos, chair,
Senator, spectator, mayor.
Tour, but our and succour, four.
Gas, alas, and Arkansas.
Sea, idea, Korea, area,
Psalm, Maria, but malaria.
Youth, south, southern, cleanse and clean.
Doctrine, turpentine, marine.
Compare alien with Italian,
Dandelion and battalion.
Sally with ally, yea, ye,
Eye, I, ay, aye, whey, and key.
Say aver, but ever, fever,
Neither, leisure, skein, deceiver.
Heron, granary, canary.
Crevice and device and aerie.
Face, but preface, not efface.
Phlegm, phlegmatic, ass, glass, bass.
Large, but target, gin, give, verging,
Ought, out, joust and scour, scourging.
Ear, but earn and wear and tear
Do not rhyme with here but ere.
Seven is right, but so is even,
Hyphen, roughen, nephew Stephen,
Monkey, donkey, Turk and jerk,
Ask, grasp, wasp, and cork and work.
Pronunciation -- think of Psyche!
Is a paling stout and spikey?
Won't it make you lose your wits,
Writing groats and saying grits?
It's a dark abyss or tunnel:
Strewn with stones, stowed, solace, gunwale,
Islington and Isle of Wight,
Housewife, verdict and indict.
Finally, which rhymes with enough --
Though, through, plough, or dough, or cough?
Hiccough has the sound of cup.
My advice is to give up!!!
Dr. Gerald Nolst Trenite (1870-1946)




Thursday, October 27, 2011

Zusatzschleifen

Ein Fliegerleben verläuft in Etappen. In weiten Schleifen, ähnlich wie jene, die wir immer mal wieder ungewollt vor Anflügen und Landungen auf verkehrsstarken Flughäfen dieser Welt drehen.

Natürlich fräsen auch Handwerker, Juristen, Bankdirektoren oder Ärzte nicht auf kurvenlosen Autobahnen durchs Leben. Und wie auf dem richtigen Highway gehts zwischendurch manchmal nicht ohne ein Pannendreieck.

Wir werden älter, wechseln die Arbeitsstelle oder den Wohnort und füllen den Lebensrucksack mit vielfältigen Erfahrungen. In der Fliegerei werden Übergänge in neue Abschnitte augenfällig geprägt, etwa durch Wechsel vom einen Flugzeugtypen auf den anderen. Durch Umschulungen, dank denen aus verschlafenen (Kurzstrecken-) Frühaufstehern innert weniger Wochen noch verschlafenere (Langstrecken-) Nachtflieger werden.

Auch mir ist es so ergangen: Nach wie vor in bester Erinnerung sind meine Swissair Anfangsjahre auf DC-9 und MD80. Unvergessen die anschliessende Phase als Jumbo-Copi, gefolgt von den ersten Kapitänserfahrungen auf dem Fokker F100. Dann wieder ein Wechsel auf den B747. Nach dessen Verkauf im Jahre 2001 machte ich erstmals Bekanntschaft mit einem Fluggerät aus dem Hause Airbus. Es folgten andere des gleichen Herstellers, bevor wir uns schliesslich mit Sack und Pack in die Wüste aufmachten.

„Hast du wirklich gelebt, hat deine Welt sich wirklich gedreht?“ fragt die deutsche Band Rosenstolz in einem ihrer aktuellen Lieder. Was mich angeht, so täte ich, ohne zu zögern, bejahen. Auch im Präsens wär der Liedtext nicht falsch, denn ich lebe ja noch immer, doch bis anhin, so scheint mir, drehte sich alles rasend schnell. Dies ist mir einmal mehr beim letzten Flug nach New York vor Augen geführt worden.

Ich entdecke die Kabinenchefin, nennen wir sie Jana, wie sie ihre Unterlagen ordnet. Sie tut dies an einem Tisch unweit des Planungsraums der Piloten. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, waren jedoch in meinem früheren Swiss(air)-Leben mehrmals zusammen unterwegs. Gleich bei der Begrüssung kommt Jana auf unseren letzten gemeinsamen Flug von 1999 zu sprechen. Ein Einsatz mit dem B747 wars, von Zürich nach Atlanta. Jana erinnert sich genau, denn wir mussten wegen eines kranken Passagiers eine Zwischenlandung einlegen. Ausgerechnet in Halifax. Nur ein Jahr nach dem Absturz von SR111. Allein beim Überflug über diese Gegend kribbelte es im Bauch.

Auch ich erinnere mich an diese aussergewöhnliche Rotation. Die erste Meldung kam mitten über dem Nordatlantik. Ein Passagier beklagte Blutungen aus der Speiseröhre. Anfänglich nur schwach. Er litt am Morbus Wilson und informierte die Kabinenbesatzung, dass bereits früher solche Blutungen aufgetreten wären.

Trotzdem hielt Jana, nachdem die Beschwerden nicht nachlassen wollten, nach einem Arzt unter den Passagieren Ausschau. Es meldeten sich gleich deren zwei. Wie sich herausstellte, war der eine bestens vertraut mit dieser Krankheit. Das beruhigte mich damals insofern, als dass die Wettermeldungen für die am nächsten bei unserer Route liegenden Plätze Gander und St Johns keineswegs berauschend waren. Eine tiefe Wolkendecke lag über der Insel Neufundland, und starke, böige Seitenwinde fegten über die Pisten.

Vorerst flogen wir weiter und liessen uns von der Kabinenbesatzung laufend über den Zustand des Patienten aufdatieren. Später besuchte uns der Arzt im Cockpit. Via Satellitenverbindung kontaktierten wir die behandelnde Klinik des Passagiers in Atlanta. Die Ärzte tauschten Daten aus, verglichen Blut-, Leber- und andere Werte. Dabei hielten sich, wen erstaunts, die amerikanischen Kollegen äusserst bedeckt. Ihre Empfehlung war klar: Land asap! Doch das sagt sich vom Boden aus immer sehr leicht. Im Wissen um die entstehenden Zusatzkosten und die Verzögerungen für die Passagiere taten wir uns diesbezüglich etwas schwerer.

Neufundland hatten wir passiert, wir näherten uns der Küste von Neuschottland. Die Kabinenbesatzung im Heck des Jumbos meldete sich wieder, die Blutungen des Patienten hatten zugenommen. Der Arzt verliess den Führerstand. Er wollte sich die Sache selber anschauen. Und eine Viertelstunde später wars dann auch für ihn klar: Landen – so rasch wie möglich!

Daraufhin ging alles sehr schnell. In einer weiten Rechtskurve drehten wir die Flugzeugnase Richtung Halifax und leiteteten den Sinkflug ein. Hinter uns war ein weiterer Swissair-Jumbo Richtung Nordamerika unterwegs. Im Cockpit sass kein Geringerer als der Flottenchef, der ein ziemlich flotter war. Ich meldete ihm unsere Absicht und bat, er möge die Informationen an die Einsatzleitstelle in Zürich weiterleiten. Es dauerte keine halbe Stunde und wir waren am Boden, wo uns die Ambulanz mit Blaulicht erwartete.

Während ich die Übergabe des kranken Passagiers ans medizinische Behandlungsteam begleitete, kümmerte sich der Flight Engineer – zu jener Zeit geschätzter Kollege im Cockpit, heute wegrationiert durch modernste Elektronik – um die Betankung des Flugzeuges. Der Copi telefonierte mit Zürich und organisierte die Unterlagen für den Weiterflug: Flugplan und Ladeblatt. Alles klappte wie am Schnürchen. Als wäre dieser Zwischenstopp von langer Hand geplant gewesen.

Nach einer Stunde donnerten wir bereits wieder über die Piste und nahmen die zweite Etappe Richtung Atlanta unter die Flügel. Es wurde ein langer Tag, dafür mundete das Bier danach ausgezeichnet. Nicht nur der erste Schluck!

Szenenwechsel. Beim heutigen Flug verdienen wir uns den Gerstensaft wesentlich einfacher. New York erreichen wir ohne die aufregenden Momente einer Zwischenlandung. Wir landen dort, wo es der Flugplan verlangt. Ohne Zusatzschleife. Das freut nicht nur die Besatzung, sondern auch die Passagiere und besonders die Kollegen von der Einsatzleitstelle. Denn – der nächste Ärger kommt bestimmt...